juni 1996

Didi Neidhart
gehört

Alec Empire: Curd Duca

Hypermodern Jazz 2000.5 (Mille Plateaux/Ixthuluh), Easy Listening 4 (Normal/Ixthuluh)

Jazz erlebt momentan auf dem Sektor digital produzierter Musik eine Reaktualisierung, deren Folgen noch nicht absehbar sind. Wobei jedoch zwischen hippen, dazwischengeschnittenen Samples, zur Restauration einer nostalgischen Coolness (verrauchte Kellerlokale, Cocktail-Existenzialismus) und Arbeitsweisen, für die »Jazz aus dem Sampler/Computer« nichts mit dezidierten Jazz-Samples zu tun haben muß, zu unterscheiden ist.

Bleibt die Frage nach dem Verhältnis zwischen elektronischen Musikmaschinen und dem, was Jazz landläufig ausmacht (Swing, Spontanität, Improvisation). Aber da-rauf gab schon Sun Ra genügend Antworten, und ob ein Stück nun wild programmiert oder in Echtzeit wild improvisiert wurde ist im Endeffekt egal.

Wenn es bei Alec Empire um Jazz geht, dann nicht um identifizierbare Samples (und wenn, dann gibt es sie unvollständig, a-rhythmisch geloopt bzw. mit viel Interferenzen), sondern um sich selbst generierende Musikmaschinen und improvisierende Musikcomputer, die stotternde und doch funky Free-Rhythmen produzieren, die übereinander herfallen (»Walk The Apocalypse« ist nix für Leute mit Herzklappenfehler) und ein verbeultes, löchriges, ausgefranstes und komische Blasen bildendes Jazz-Universum ent- stehen lassen, dessen Hauptenergiequellen Bebop und Free Jazz sind.

Noch tiefer geht der Wiener Curd Duca ins Material. Seine Tracks (u.a. mit Titeln wie »Bird«, »Monk«, »Tristano 8«) sind ein wildes Herumkriechen und Herumspringen in kratzenden und knarzenden Plattenrillen, wobei er das rhythmische Gerüst nie ganz zum Einsturz gebricht. Dafür wird es in die signifikanten Grundbestandteile zerlegt, gegen den Strich gebürstet, gestreckt, durcheinandergebracht, harsch abgebrochen und in Schwebe gehalten.

In beiden Fällen entsteht dadurch bizarrer elektronischer Weltraum-Jazz, der regelrecht in sein Ausgangsmaterial hineinkriecht. Kein Wunder, kommen doch beide Musiker aus dem Techno-Kontext.