juni 1996

Birgit Feusthuber
gelesen

Gerda Marko

Schreibende Paare. Liebe Freundschaft Konkurrenz. Artemis und Winkler 1995

»Wir hassen uns nicht, aber wir töten uns durch unsere fruchtlose Be-mühung, Mann und Weib zu sein«. Dies schreibt Clemens Brentano an Achim von Arnim in den Anfangsjahren des 19. Jahrhunderts. Beide werden als wichtige Vertreter der Romantik - besonders als Herausgeber von Volksliedern, zusammengefaßt in der Sammlung »Des Knaben Wunderhorn« - in die Literaturgeschichte eingehen. Sophie Mereau und Bettina von Arnim sind die Ehefrauen der beiden, Dichterinnen, und auf je unterschiedliche Weise verzweifelt Kämpfende im Bemühen, den gesellschaftlichen und eigenen Anforderungen als Mütter, Ehefrauen und Künstlerinnen zu entsprechen. Sophie Mereau stirbt 36 jährig bei der Geburt ihres dritten Kindes, hinterläßt Erzählungen, einen Roman. Bettina von Arnim, geb. Brentano, dichtendes Wunderkind, stumm in der zwanzig-jährigen Ehe mit Arnim, der sieben Kinder entstammen, findet die Sprache erst nach seinem Tod wieder, wird im hohen Alter Chronistin der sozialen Mißstände in Deutschland. Sätze aus einem anderen Lebensversuch zu zweit: »Am Abend hatte ich zehn Verse gemacht und eine Flasche Schnaps getrunken; sie hatte einen halben Liter Milch getrunken und ein halbes Buch geschrieben«(Musset über sich und George Sand). Spannend und auf unterschiedliche Weise erhellend entfaltet Gerda Marko Lebenspanoramen schreibender Paare von der Romantik bis heute und stellt sich die Frage, inwieweit diese Gemeinschaften durch Konkurrenz eine Beeinträchtigung bis Lähmung im künstlerischen Prozeß bedeuten (Francis Scott und Zelda Fitzgerald), oder ein Mythos aufgebaut werden muß, um dem eigenen Ideal des freien Künstlerpaares zu entsprechen (Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre, Ted Hughes und Sylvia Plath), oder - durch liebevolle Distanz, auch in räumlicher Hinsicht - ein lebenslanger Austausch möglich sein kann (Friederike Mayröcker und Ernst Jandl). Die Literaturgeschichte zeigt sich aus dieser Perspektive überwiegend als eine zwischen zwei oder mehr Menschen zuweilen gnadenlose Abfolge schmerzhaften Ringens um Identität und Sprache, allzuoft mit tödlichem Ausgang; die bekannte Tatsache, daß vorwiegend die Frauen diesen Kampf verlieren, offenbart sich in der Nachzeichnung vielfältiger Lebenswege quer durch 200 Jahre auf schonungslose Weise. Wenn dichterische Lebensgemeinschaften in produktive Entwicklungen münden können (u.a. bei Ilse Aichinger und Günter Eich, Elizabeth Barrett und Robert Browning), sieht Marko »Verläßlichkeit, Respekt, Freiräume« als Grundvoraussetzung - »vielleicht liegt darin die Zauberformel des Gelingens«, um »in der verschlingenden Ausschließlichkeit des Schreibens Raum zu lassen für die Liebe«.