juni 1996

Vitruvius
geschaut

In cellam hanc lignarium convertit Dominicus Abbas MDCCLXXXXIV

Petersbrunnhof - Am Ende der Geschichte

Wie schon zu St. Elisabeth dominiert auch im ehemaligen Stall des Erzstiftes der Klerikalismus das Tragische wie das Komische und verweist sie ins Kryptische. Denn niemand, der es nicht weiß, würde hier ein Theater vermuten. Die Architektur bietet ein perfektes Ambiente, in dem das Eigentliche verborgen bleibt, und garantiert, daß die Inhalte nie nach außen dringen werden. An diesem Gebäude ist nichts, was das ist, was es ist. Hinter den einstigen Scheunentoren befindet sich einmal eine Niro-Küche, ein anderes Mal ein EDV-Arbeitsplatz. Das Walmdach hat mit der alten hölzernen Dachstuhlkonstruktion nichts mehr zu tun; ein feuersicherer Betonmantel liegt unter der Deckung, die nur von ortsüblichen Gaupen durchstoßen wird. Der Versuch, nach außen allen Anschein von Veränderung zu nehmen, geriert sich schlußendlich als einzige Lüge. Nur ein Treppenhaus quillt deutlich wahrnehmbar als neues Element an der Hofseite hervor. Schamlos spreizt es sich zwischen die Schenkel des alten Gebäudes und meint wohl, daß, weil ach so transparent aus Glas und Stahl, es für jedermann verborgen bleibt. Hier entblößt sich die Strategie: Das, was ist, wird verdeckt, und das, was dennoch erscheint, wird versteckt.

Für dieses Geld hätte man locker ein neues, modernes Theater errichten können - als und für ein Schauspiel auf der Höhe der Zeit. Aber das ist in der Tarnkappenstadt verboten. Sie stopft Funktionen in Häuser, die mit diesen nicht harmonieren, um ihren eigenen Verfall zu verschleiern. Leid könnte einem die E-Bühne tun, die mit diesem Bauwerk nun leben muß, und die nicht erkannte, wofür man sie benutzte.