juni 1996

Mirko Kaiser
geschaut

Zu viel Humanoides auf babylon 5?

Am 22.3.1996 überstand die Next Generation des Raumschiffs Enterprise zum letzten Mal eines ihrer Abenteuer im ORF1. An gleicher Stelle haben wir nun das mäßig animierten Spacecenter Babylon 5, eine ungetüme metallene Kotzknolle, vor Augen. Doch regressiv ist nicht nur das Design. Autor Michael Straczynski, einigen anspruchslosen ZuschauerInnen noch von Twilight Zone bekannt, jener Serie, die Ex-Katholiken und Esoterikerinnen metaphysische Haltegriffe offerierte (»Da war dieser Tunnel, und dann dieses helle Licht, so hell, Mutter, bist du’s..?«), wollte mit Babylon 5 ein »völlig neues Universum erschaffen«. Nur steht nach den bisherigen Folgen fest, daß hier aber auch gar nichts neu ist.

Schon die Grundidee, eine Raumstation unter Führung der Erdallianz als in vivo Experiment für den intergalaktischen Frieden zu installieren, ist purer Kolonialismus. Brach die Enterprise noch in ferne Galaxien auf, um fremde Welten und Lebensformen zu erforschen und den menschlichen Horizont zu erweitern, müssen die Fremden nun zu den Menschen auf eine Militärstation (!) kommen, die übrigens aus 2 Mio. Tonnen (Krupp?-)Stahl besteht. In diesem »Stahlbad der Entschlackung« haben sie sich dann ihrer Fremdheit zu entledigen. Die fremden Lebensformen werden domestiziert und im orbitalen Streichelzoo gehalten. Im »Casino« (synonym mit »10 Vorne« auf der Enterprise) müssen alle Nichtzweibeiner leider draußen bleiben, womit Babylon 5 die ptolemäische Sichtweise restauriert: Der Mensch ist Mittelpunkt des Kosmos. Humanozentrismus rules.

Entsprangen zahlreiche Star- Trek-Abenteuer subtilen Hirngespinsten von DrehbuchautorInnen, die die Stories häufig wissenschaftlich erdeten oder in einer faszinierenden philosophisch-astrophysikalischen Grauzone verankerten, unterbietet Babylon 5 sogar das Abstraktionsvermögen neunjähriger Perry-Rhodan-LeserInnen. Ein phantastisches oder gar utopisches Potential, welches dem Hirn Abstraktion und Assoziationen abverlangen könnte, sucht man auf Babylon 5 vergeblich.

Dafür herrschen auch unter den fremden Völkern Haß, Intrigen, Macht, Korruption und Probleme, die auf das Langweiligste mensch-lich sind. Jenseits des Geschmacks auch die Dialoge unter den Menschen: Er (Jungoffizier, schwarz, Amerikaner): »Sie sind so pessimistisch!« Sie (Jungoffizierin, weiß, ehemalige Sowjetunion): »Vielleicht liegt es daran, daß ich aus Rußland stamme!« (Wohlgemerkt aus dem Russland des Jahres 2257!)

Daß sich der ORF für Babylon 5 und gegen Deep Space Nine, den adäquateren Nachfolger für The Next Generation entschieden hat, bleibt den Fans ein Rätsel. So werden sich in den folgenden Wochen wohl eher jene Babylon 5 hingeben, die zur Sättigung ihres E.Q.s das immergleiche menschliche Herz-Schmerz-Medley verlangen.

Oh Extraterrestrische, bewahrt uns vor den Menschen.