juni 1996

Birgit Feusthuber
zu gast

O Wunder: Diese Frau hält dicht

Es gibt Theaterabende, die man mit einem wohligen Gefühl verläßt, weil man gut unterhalten worden ist. Es gibt Theaterabende, wo man im nachhinein bedauert, nicht zu Hause vorm Fernseher eingeschlafen zu sein, weil man da wenigstens Geld gespart hätte. Und dann gibt es welche, die in einer gewissen Verstörung oder Begeisterung nachwirken, weil ein aufwühlender bzw. spannender Stoff fesselnd umgesetzt worden ist oder/und schauspielerische Glanzleistungen zu sehen waren. Wenn jedoch darüber hinaus Bühnenbild, Kostüme, Licht, sonstige Requisiten, Regiekonzept, Schauspiel- und somit Ensembleleistung eine hervorragende Symbiose eingehen, kurz: Wenn es beim kritischsten Willen nichts gibt, was nur den Hauch eines Mangels aufkommen ließ, dann bleibt ein wahrhaft hinreißender Abend im Gedächtnis haften!

Das Gastspiel der Drachengasse Wien mit “O Wunder! Diese Frau hält dicht” läßt sich unter diese Sternabende des Theaters einordnen.

Die Vorlage allein schürte schon die Neugier: Die englische Dramatikerin Susannah Centlivre (1669 -1723), neben der Zeitgenossin Aphra Behn eine der ersten Frauen, die vom Schreiben leben konnten, verstand es, in einem Feuerwerk von witzigen Dialogen und Pointen die damals herrschende Moral ad absurdum zu führen, welche Frauen zum Spielball patriarchaler Interessen degradierte, um auf dem Heiratsmarkt den höchstmöglichen väterlichen Profit herauszuschlagen. Von den fortschrittlichen Ideen dieser Zeit erfaßt, in denen auch den Frauen das Recht auf Glücksanspruch in selbstbestimmter Weise zugestanden wurde, verlegte Centlivre das Geschehen ins finstere Spanien und ließ zwei Kusinen - Isabel und Violante - in einem Versteckspiel von geistreichen Täuschungen zu guter Letzt die Herzensmänner erringen. Wie das geschieht, ist pures, ureigenstes Vergnügen: Beverly Blankenship, gebürtige Texanerin, seit Jahren erfolgreich in Wien, Saarbrücken und Basel, läßt das sechsköpfige Ensemble 13 Rollen spielen, wobei einem/einer zuweilen die Luft wegbleibt, wenn innerhalb einer Minute drei Rollen in einer Person wechseln. Obwohl Fritz Egger - bestens bekannt vom Salzburger Landestheater und begnadeter Komiker - an einer Fußverletzung laborierte, gelangen ihm scheinbar mühelos die Sprünge zwischen altem Kotzbrocken, leidenschaftlich Eifersüchtigem und schmerzlich Liebendem. Fulminant auch Alexander Pschill als Diener, Freund und seniler, intriganter Vater. Proschat Madani und Sofia Simion brillierten als glückssuchende Kusinen, gewitzte bzw. weinerliche Dienerinnen, und das »Männer«-Paar Bigi Fischer und Susi Stach brach mit umwerfender Komik Geschlechtsrollenschemata auf. Wie überhaupt überkommene »weiblich«- »männliche« Zuordnungen lustvoll desavouiert wurden: Sicherlich auch ein Verdienst des Übersetzers Wolfgang Herles.

Hinreißend.

Wenn es denn ein Wort gibt, das diesen Abend auf einen Nenner bringen kann, dann dieses.