juni 1996

Peter Truschner

A bissl was geht immer

Skizzen Salzburger Mittelmäßigkeit

Das Praktische am Salzburger Kunst- und Kulturgeschehen ist dessen Überischtlichkeit. Alles ist so konsument-Innenfreundlich in Beton verpackt, in Orte und Institutionen. Die Bildenden Künste haben ihre Räumlichkeiten, die Literatur hat Haus und Hof, die ARGE hat gar ein Gelände und die Salzburger Austria ein Stadion (Wen wundert’s, daß bei so viel aggressiver Wohnflächenbesetzung dem TOI-Haus nur ein Rattenloch bleibt?) Die Salzburger Kulturpolitik braucht nicht lange zu überlegen, wenn sie jemanden irgendwo mit einer Subventionskürzung (an-)treffen will. Das Schöne daran aber ist, daß man die meisten der diesen Räumlichkeiten angeschlossenen Veranstaltungen frequentieren kann, ohne auf die NutzerInnen einer der anderen Räumlichkeiten zu treffen. Künstlerischer Austausch findet auf seiten des Publikums nicht statt. Jeder hat sein eigenes Beisl. Wer sich etwa auf Galerie-Welz-Vernissagen an der Weinvernichtung beteiligt, verschmäht die 50 Meter weiter entfernten Galerie-5020-Marken, deren AnhängerInnen wiederum zumeist die behauptete Voraussehbarkeit des 50 Meter entfernten Galerie-Altnöder-Stoffs anödet.

Die abseits von größeren Medienereignissen kaum verhüllte Zusammenhanglosigkeit, Experimentierunlust und ausschließlich selbstbe- zogene Präsentation der ProtagonistInnen der Salzburger Kunst- und Kulturszene hat gegenwärtig ihren tieferen Sinn in einem stillschweigenden Nichtangriffspakt: Dem gemeinsamen Feind - der Kulturpolitik der Stadt Salzburg - gelten zu Recht die vereinten Kräfte. Was, wie jeder, der den Kampf um Pfründe und Subventionen kennt, ein Witz ist. Jeder ist sich dort der Nächste. Aber: Salzburg ist nicht New York. Denn »a bissl was geht immer« in Salzburg. Im Gegensatz zu New York oder London, wo auf der Ebene der angesprochenen Grabenkämpfe irgendwann oder auch sehr schnell sehr viel oder aber sehr lang überhaupt nichts geht. Die rostige Mitte, in der die meisten Salzburger KulturproduzentInnen überleben, liefert uns diesen ungenauen, unintensiven Umgang miteinander und den Ergebnissen unserer Bemühungen. Jahrelange Konsequenz verschreckt dabei genauso wie allzu Schrilles: Beides gefährdet eben die nächste Subvention.

Derjenige, der davor die Augen verschließt, reagiert darauf ebenso inadäquat wie diejenige, die darüber die Nase rümpft. Wenn der private wie öffentliche Geldsegen allzu bescheiden ausfällt, spielt sich zumindest die organisatorische Ebene der Kunst in Salzburg wie überall auf der Welt in der Analgegend ab. Entweder man tritt sich in den Arsch, oder man kriecht sich untereinander in denselben. Beides jedoch dezent genug, um sich inmitten einer Aura der unverbindlichen Verbindlichkeiten einigermaßen sicher zu fühlen.

Daß dabei das Organisatorische auf das Programmatische rückwirkt, das Machen also auf das Schaffen, braucht nicht näher ausgeführt zu werden. Kunst, die sich auch wesentlich und schonungslos auf das noch zu Verwirklichende ihrer selbst und der in ihr inkorporierten gesellschaftlichen Sachverhalte bezieht, wird dabei, so Adolf Muschg, »zu einer Privatangelegenheit Vereinzelter«.

Aber so ist das eben in einer Stadt, in der der Vorschlag des Festspielintendanten, Woody Allen eine Oper inszenieren zu lassen, entweder begrüßt oder abgelehnt, aber doch als Innovation angesehen wird.