juni 1996

Ulli Gschwandtner

Zurückschlagen?

Gegen die alltägliche sexuelle Belästigung

»Würden die Frauen die Machtfrage stellen, würden sie keine Artikel mehr schreiben. Sie würden die Hände in den Schoß legen und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen. Stattdessen reißen sie sich weiterhin einen Fuß aus. Sie geben das letzte, damit die Macht funktioniert. Inzwischen auch noch ihre Kritik.« (Gerburg Treusch-Dieter, in:Kursbuch 12)

Die ursprüngliche Idee, einen Artikel über die Frauenfeindlichkeit in der Werbung zu schreiben, erscheint mir zusehends langweiliger. Die Werbung ist frauenfeindlich, obszön, sexistisch wie eh und je. Was erregt, ist ein nackter Vranitzky auf einem Profil-Cover. Nackte Frauen hingegen, egal ob auf Zeitschriftencovers oder Plakatwerbeflächen, gehören zum Alltag. Mit Frauenkörpern meint mann nach wie vor alles bewerben bzw. verkaufen zu können, seien es Autos, Kaffee oder Gartenmöbel. Aufregung von seiten der Frauen ist kaum wahrnehmbar. Wurden Ende der 80er Jahre noch Palmersplakate von wütenden Feministinnen besprüht, so hängen heute Plakatserien wie etwa jene der 1a-Installateure (vgl. geschaut Seite 23) mit dem geschmacklosen Titel »Estella ist eine Professionelle« unberührt wochenlang in der Landschaft. Palmersplakate hingegen scheinen nur mehr Wirkung auf jene Männer zu zeigen, die exhibitionistisch einer - wohlweislich - anonymen Öffentlichkeit ihr allerbestes Stück zeigen wollen. Mehr oder weniger kunstvoll gestaltete Männerschwänze sind es, die heutzutage die (vom Layout her noch immer gleich gestalteten) Werbeplakate von Palmers oder anderer Firmen verunzieren. (Von »verschönern« kann hier wohl nicht die Rede sein). Da drängt sich die Frage auf: Haben wir Frauen etwas übersehen? Hat der Feminismus der 70er, 80er und frühen 90er Jahre unsere männlichen Mitmenschen etwa so geknechtet und unterdrückt, daß sie, einem Hilferuf gleich, in dunkler Nacht ihre Markierungen und Symbole auf öffentlichen Wänden hinterlassen? Ist dies der graphische Ausdruck realer Kastrationsängste? Diese Entwicklung würde mich verwundern, spricht doch die Realität eine andere Sprache, der »Backlash« ist angesagt. Das gleichnamige Buch der US-Amerikanerin Susan Faludi wurde mit dem etwas klobigen Titel »Die Männer schlagen zurück« auf den deutschsprachigen Markt gebracht. Wesentliche Aussage des Buches: Der Anteil von Frauen an Macht, Geld und Einfluß schrumpft, trotz Frauenbewegung, stetig. Ob in Wirtschaft oder Wissenschaft, in Politik oder Gesellschaft, überall ist die Tendenz spürbar, den Frauen die paar Erfolge, die sie erringen konnten, wieder abzunehmen. Sind die überdimensionalen Schwänze etwa Ausdruck eines nun auch in Europa bzw. Österreich wahrnehmbaren »Backlash«? Nein, sicher nicht. Die Männer können nicht zurückschlagen, weil die Feministinnen - um bei diesem Bild zu bleiben - in Wirklichkeit nie richtig zugelangt haben. In Österreich hat es letztlich nur eine sehr eingeschränkte realitätsstiftende Verankerung bzw. Implementierung von Frauenrechten gegeben. Dies unterscheidet uns von den USA und ihren durchaus manchmal fraglichen - weil sehr moralischem - Verständnis von Frauenrechten. Würde eine empörte Österreicherin etwa versuchen, Plakatserien wie die oben beschriebenen aus dem öffentlichen Raum zu verbannen, so würde sie sofort und unmittelbar an die Grenzen der Rechtsprechung stoßen. Es gibt keine rechtliche Grundlage für ein Verbot sexistischer Werbekampagnen. Was als Handlungsmöglichkeit bleibt, sind Beschwerden, Beschwerden, Beschwerden. AnsprechpartnerInnen wären der Österreichische Werberat, die Anwaltschaft für Gleichbehandlungsfragen oder die Frauenministerin. Der Tatbestand der »sexuellen Belästigung« kann in Österreich nämlich nur in Arbeitszusammenhängen belangt werden (vgl. Bundesgleichbehandlungsgesetz 1993). Daß in der Arbeitswelt enormer Handlungsbedarf gegen sexuelle Belästigung vorhanden ist, belegt eine Erhebung aus dem Jahr 1988, derzufolge 81% der befragten Frauen in ihrem Berufsleben ein- oder mehrmals gegen ihren Willen mit sexuellen Annäherungen konfrontiert waren. Aber auch bei einer erfolgreich durchgestandenen Klage beispielsweise einer Arbeitnehmerin gegen einen Mitarbeiter, der sie sexuell belästigt hat, sind die verhängten Strafen letztlich ein Hohn: Mindestens öS 5.000,- muß der Belästiger an die betroffene Arbeitnehmerin bezahlen. Das tut nicht weh. Und kommt vor allem nicht sehr oft vor: Die Anwaltschaft für Gleichbehandlungsfragen, die betroffene Arbeitnehmerinnen berät und bei Klagen unterstützt, führte 1994 insgesamt 83 Beratungen zum Thema »Sexuelle Belästigung« durch, letztlich wurden aber nur fünf Fälle vor Gericht gebracht. (Maximale Strafe in einem Fall: ÖS 25.000,-) Die Erfahrungen jener Arbeitnehmerinnen, die den Schritt wagen, sich gegen sexuelle Belästigung zur Wehr zu setzen, sind oft niederschmetternd. Die Belästiger selbst streiten - sobald die Vorwürfe erhoben werden - fast durchwegs jede Art von Übergriffen ab oder versuchen, die betroffene Frau zu diffamieren, z.B. sie habe ohnehin psychische Probleme, leide unter sexuellem Verfolgungswahn - wer wolle sich denn an der vergreifen...

Einige Belästiger sind in der Zwischenzeit auch dazu übergegangen, die klagende Frau gleich selbst anzuzeigen, und zwar wegen »Übler Nachrede« oder wegen »Ruf- und Kreditschädigung«. In diesem Fall schrecken viele Frauen angesichts der drohenden Verfahrenskosten zurück, machen ihrerseits die Klage wegen sexueller Belästigung rückgängig und hoffen auf bessere Zeiten.

Gegen sexuelle Belästigung von und/oder Gewalt gegen Frauen im Öffentlichen Raum (das reicht von frauenfeindlicher Werbung über lästiges Nachpfeifen oder Beglotzt-werden bis hin zu tätlichen Übergriffen) kann frau - zumindest was rechtliche Schritte anbelangt - oft nur wenig unternehmen, außer selbst aktiv zu werden. Eine Möglichkeit wäre aber durchaus denkbar: Den »Backlash« umdrehen, soll heißen, »Die Frauen schlagen zurück«. So geschehen beispielsweise in Wien im Mai 1996: Zwei Männer versuchen, eine junge Frau zu vergewaltigen, diese jedoch ist Absolventin eines Selbstverteidigungskurses für Frauen. Fazit: Die Täter konnten zwar entkommen, einer der beiden jedoch kann aufgrund eines Nasenbeinbruchs leicht identifiziert werden.

Literatur

Feigl, Susanne

Keine falsche Bescheidenheit! Wegweiser zur Gleichbehandlung im Beruf, Wien(1994)

Faludi, Susan

Die Männer schlagen zurück. Wie die Siege des Feminismus sich in Niederlagen verwandeln und was Frauen dagegen tun können, Hamburg (1993)

Tätigkeitsbericht der Anwaltschaft fürGleichbehandlungsfragen, Wien (1994)

ÖGB-Frauenabteilung

Nein heißt Nein! Gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz,

Wien (1994)