juni 1996

Thomas Neuhold

Die Krake

Kleinmedien bleiben die letzten Reservate demokratischer Medienkultur in Österreich.

Österreich gehört in Sachen Medienvielfalt und -demokratie zu den rückständigsten Ländern Europas. Das ist soweit bekannt. Ein kurzer Rückblick auf das erste Halbjahr 1996 lohnt dennoch. Es waren sechs Monate der besonderen Medienunkultur.

Auf Regierungsseite lieferten SPÖ und ÖVP ein Gustostückerl: die »Lex Dichand«. Durch sie werden Zeitungskolporteure von der Sozialversicherungspflicht durch die UnternehmerInnen weiterhin ausgenommen. Der Mediaprint werden so rund 200 weitere Millionen jährlich in den ohnehin bis zum Bersten gefüllten Subventionssack geschoben! Auch die geplante Umwandlung des öffentlich-rechtlichen Sektors in eine AG läßt nichts Gutes erwarten. Die Aktien sollen zwischen Bund und Ländern aufgeteilt werden. Peter Pilz befürchtet im »Standard« wohl zu Recht, daß dann »zwei Drittel der ZiB-Interviews« mit den EigentümerInnen geführt würden. Die schleichende personelle Verflechtung mit der Mediaprint - etwa in Person von »Kurier«-Chefredakteur Peter Rabl, der als Moderator von »Zur Sache« eine der wichtigsten politischen Sendungen des ORF mitbestimmt - rechtfertigt weiteres Mißtrauen.

In Wien treibt die Vormachtstellung der Medienkrake, deren Monopol bereits bis zur Hauszustellung reicht, besonders perverse Blüten: Mit Millionen-Klagen wird versucht, den »Falter« zu erwürgen. Ob allein aus Revanchelust für Armin Thurnhers »running gag« - Mediaprint zerschlagen -, ist aus Salzburg schwer zu beurteilen.

Und schließlich häufen sich gerade im Print-Sektor wieder die Zugriffe der EigentümerInnen auf die Redaktionen. »Die Presse« verlor so bereits vor Monaten ihren liberalen Chefredakteur an die »Berliner Zeitung«. Und nun noch der »profil«-Skandal: Man mag es mit Hubertus Czernin halten, wie man will, der Blaublütler, der sich auch von Jörg Haider hofieren läßt, liegt nicht jedem. Dennoch, selbst wenn Czernin nicht gerade ein Aushängeschild des österreichischen Journalismus sein mag, ihm und der »profil«-Belegschaft gebührt Solidarität. Nicht zuletzt, da das »profil«, gestützt auf eine per Statut festgeschriebene relative Redaktionsautonomie, eines der letzten Reservate des investigativen Journalismus geblieben ist. »profil« mag bisher das jüngste Beispiel sein, wozu Medienmacht, Verfilzung und Monopolisierung führen. Es bedarf keiner seherischen Begabung, um vorherzusagen: Es wird nicht das letzte sein.

Für diese Entwicklung tragen freilich nicht nur jene unmittelbare Verantwortung, die in Entscheidungsgremien, gedrängt von einem Heer gekaufter LobbyistInnen, im Sinne der Konzentration politisch und rechtlich mit »paradoxen Kartellgesetzen« (Oscar Bronner) agieren. Auch bei den demokratischen und linken Kräften hierzulande ist die Medienkultur traditionell schlecht entwickelt. Während in Italien »L’Ulivo« bewiesen hat, daß sich auch gegen einen Medientycoon erfolgreich Politik machen läßt und damit europaweit ein Zeichen gesetzt hat, kündigt Peter Pilz ein inhaltlich eher diffuses »Medienvolksbegehren« an. Spät, sehr spät!

Auch die KPÖ hat ihr Projekt der frühen 90er- Jahre, ein demokratisches und offenes Gegenmedium mitzufinanzieren, schnell fallengelassen. Die Umwandlung der Wochenzeitung »Salto« in eine Mini-«Volksstimme« geriet zum peinlichen »Baier-Kurier«, in der sich der Eigentümer, KP-Vorsitzender Walter Baier, nun wöchentlich produziert.

Kleinmedien kommt in dieser Situation eine immer größere Bedeutung zu. Das ist nicht Eigenlob, sondern bittere österreichische Medienrealität: Es ist die Zeit der Monopole und die Zeit der Zeitschriften! Der oberösterreichische »hillinger«, das »triebwerk« aus Wien oder der »kunstfehler« können zwar das massive Defizit am Tages- und Wochenzeitungssektor nicht beheben, ein Refugium für nicht-monopolisierten Journalismus sind sie aber allemal.

Dabei - und auch das soll hier nicht verschwiegen werden - kämpft auch der »kunstfehler« mit der unterentwickelten Medienkultur. Zeitungen und Zeitschriften werden allzugerne als willfährige Instrumente betrachtet, deren man sich nur zu bedienen brauchte. Die »ARGE-Kulturgelände Nonntal«, seit jeher demokratischen Traditionen verpflichtet, versucht, sich den Interventionen - von wo sie auch immer ausgehen - weitgehend zu entziehen. Seit beinahe zwei Jahren erlaubt ein eigenes Statut der Redaktion größtmögliche Autonomie. Wie nicht zuletzt am »profil« ablesbar, ist das keine Selbstverständlichkeit. Diese Unabhängigkeit bleibt letztlich bei bundesweiten Nachrichtenmagazinen wie bei regionalen Zeitschriften Voraussetzung für den Erhalt der Reste einer vielfältigen, demokratischen Öffentlichkeit. Für den »kunstfehler« ist sie darüber hinaus Garant für eine inhaltliche Weiterentwicklung und mittelfristig für einen Ausbau des Blattes.

Ja, und da wäre dann noch was: Auch wir sind der Meinung, daß die Mediaprint zerschlagen werden muß.