august 1996

Gudrun Seidenauer
gelesen

Klaus Theweleit, Objektwahl (All You Need is Love...).

Über Paarbildungsstrategien & Bruchstück einer Freud-Biographie.

Auch für LiebhaberInnen seiner ausgedehnten Assoziationsnetze erfreulich: Der »neue Theweleit« zum menschlichen Dauerbrenner Nr. One mt der schnöden Bezeichnung »Objektwahl« unternimmt auf nur 140 Seiten einen abenteuerlichen Streifzug durch Wildnis und Wüstenei der (Liebes-)Gefühle. Was diejenigen, die auf dem Primat des dunkel raunend Anarchischen in Herzensdingen bestehen mögen, durchwegs ernüchtern wird: In kreativer Adaption der Freudschen Ent-Deckung individueller Geschichtlichkeit unserer scheinbar aus dem Nichts schießenden Gefühlsgeysire zeigt Theweleit, wie sich Produtkions- und Liebesbedingungen verflechten, welche (traurig beschränkten) Rollenspiele dabei wieder und wieder durchlaufen werden - kurz und gut: daß der Liebe gemeinhin nichts anhaftet, das nicht mit dem Füllsel »unbewußt« des reinen Glanzes der Einmaligkeit und Originalität verlustig ginge...

Wer derlei narzistische Kränkungen hinzunehmen bereit ist, wer sich weiters von den anspielungsreichen Ganz- und Halbsätzen des obsessiven Freigeistes verführen statt verschrecken läßt, wer interdisziplinäre Virtuosität des Denkens ohne akademische Staubigkeit schätzt, wer Spaß daran hat, den »Produktionsbedingungen« der Psychoanalyse, ihren Vätern - und ausnahmsweise vielen Müttern - mit Theweleit auf die Herzens-Spuren zu kommen, dem/der sei »Objektwahl«hiermit ans Herz gelegt. Und durchaus auch als Ferienlektüre. Es muß nicht immer Konsalik sein - und über Liebe ist wohl selten klüger gedacht & geschrieben worden.