august 1996

Peter Truschner
gelesen

Nelson Algren, Der Mann mit dem goldenen Arm

Reinbek bei Hamburg, 1996

Frankie »Machine« Majcinek ist der Kartengeber mit dem ðgoldenenÐ Arm, der ihn beim Pokern geradesoviel Kohle machen läßt, daß er sich seinen unvermeidlichen Untergang mit Morphium wegträumen kann - um ihm in Wirklichkeit mit jeder Injektion näherzukommen.

Penner, Säufer,Knastbrüder, Junkies, Dealer, Bullen, Huren und solche, die einfach aus der Bahn geworfen wurden und keine eigene Bezeichnung mehr wert sind - weggeworfen wie zerquetschte Cola-Dosen lungern sie in Algrens Roman herum und spielen darin die eigentliche Hauptrolle. Frankie ist nur ein Teil dieses verluderten, ausgezehrten Ganzen. Ein schwächerer, verwundbarerer Slumpartikel, da er, im Gegensatz zu jenen, die alles über Bord geworfen haben, noch weiß, wie sich Schuld anfühlt, seit er seine Frau besoffen zum Krüppel gefahren hat. Letztendlich benötigt Frankie das Morphium, diesen ‘35pfündigen Affen auf dem Buckel’, um sich kurzfristig die Absolution dafür zu erteilen, er selbst zu sein.

Alkohol, Drogen, Sex, Gewalt: Algrens Roman steht in einer langen Tradition nordamerikanischer Sucht- und Besessenheitsprosa, deren besonderes Kennzeichen darin besteht, daß nicht wenige Autoren das armselige Leben und/oder die beinahe existenzvernichtende Sucht ihrer Protagonisten teilten.

Algren ist nicht unparteiisch. Seine Form der literarischen Anteilnahme gerät ihm, im Gegensatz etwa zu Upton Sinclair, nicht zur sozialpolitischen Geste. Sein erhobener Zeigefinger gilt ohne jedes Selbstmitleid niemand als ihm selbst. Auch scheint er mir ohne Zweifel ein methaphernreicher Romantiker zu sein - und doch produziert er keinerlei Romantizismen. Im Gegensatz etwa zu manchen nachfolgenden Beat-Autoren scheint ihm nichts an den von ihm geschilderten Typen, Bars und Sonnenuntergängen dafür geschaffen, sie zu verklären oder sich nach deren Umgebung zu sehnen. Er scheint mir damit zufrieden, wenn nach seiner Lektüre gewisse vorschnell getroffnene Urteile den entscheidenenden Nachdenktick länger im Hals stecken bleiben.