august 1996

Thomas Neuhold

DABEISEIN IST NICHT ALLES

Salzburg hat sich von Olympia verabschiedet - aus niederen Motiven - ein Nachruf

Mit der Gemeinderatssitzung vom 10. Juli wurde das klar, was Kenner der städtischen Politszene schon seit Aufkommen der Idee, Salzburg könnte sich um die Austragung der Winterspiele 2006 bewerben, voraussagten. Die GemeinderätInnen entschieden mit deutlicher Mehrheit: Salzburg wird sich nicht bewerben. Olympia ereilte damit dasselbe Schicksal wie andere Vorhaben in der Mozartstadt auch - egal ob finanzierbar oder nicht, egal ob Kultur, Sport oder Verkehr: »Wozu brauch ma des? Kein Geld! Keine Lust! Keine Zeit! Keinen Durchblick!«

Olympia und Salzburg, das war die Prolongierung einer Lähmung. Selbst jene, die wie der Autor dieser Zeilen dem Kommerz-Spektakel skeptisch gegenüberstanden und nachhaltigere Projekte bevorzugen würden, muß angesichts des unreflektierten Abwürgens ein ungutes Gefühl beschleichen. Das erinnert zu sehr an die Ausladung des spanischen Architekten Juan Navarro Baldeweg, der zwar den Millionenwettbewerb um das Salzburger Kongreßhaus gewonnen hatte, aber dennoch nicht bauen durfte. Olympia und Salzburg, das erinnert auch an das Nein zu Guggenheim (»Keinen Durchblick!«), an das Loch am Bahnhofsvorplatz (»Keinen Plan!«) oder an die unendliche Geschichte um ein Museum (»Keine Lust!«). Diese Stadt und der visionslose Geiz ihrer Stadtväter ist zum Gruseln.

Nur nebenbei: Der augenzwinkernde Vorschlag einiger Bürgerlistenmandatare, sich zwar wegen dem erwarteten Werbeeffekt zu bewerben, aber eben nicht wirklich, um ja nicht den Zuschlag zu bekommen, unterscheidet sich in der Unernsthaftigkeit der Auseinandersetzung nur graduell von Dechants kategorischem »Njet«.

Dabei wäre gerade die von Landesrat Othmar Raus gestartete Debatte eine gute Gelegenheit gewesen, die tröge Dumpfheit der Stadtpolitik zu verlassen und ernsthaft über Zukunftskonzepte zu diskutieren. Das beginnt naheliegenderweise bei den Breitensporteinrichtungen, die für die Salzburger Bevölkerung im Winter nicht gerade dicht gesät sind. Wer regelmäßig im Volksgarten am Eis seine Runden dreht, weiß um die Unzulänglichkeiten. Möglicherweise hätte eine offene, breit geführte Bewerbungsbeurteilung auch in einem Nein gegipfelt, nicht zuletzt wegen der Nachnutzungskosten für die Sportanlagen.

Aber allein das Nachdenken über die fünf Ringe hätte für andere zentrale Themen eine Katalysatorfunktion haben können. Nur drei Beispiele: Die Verkehrsinfrastruktur ist für einen derartigen Event derzeit nicht tauglich; Fragen nach Parkplätzen, der sechsspurigen Autobahn und dem Schienenausbau (nach Freilassing?) wären im Gesamten zu behandeln. Das Olympische Dorf könnte - bei entsprechender Planung - ein Entwicklungsschub im Mietwohnbau, für StudentInnenheime, Kinderbetreuungseinrichtungen... sein. Dem Ausbau der Telekommunikationsinfra- struktur kommt angesichts der medialen Präsenz bei Winterspielen eine wichtige Bedeutung zu; eine entsprechende Planung wäre von Vorteil. Grundsätzlich hätte Olympia auch Gelegenheit gegeben, die Zukunft der Tourismusentwicklung zu beraten. Und nicht zuletzt geht es ja auch um eine politische Prioritätenliste der Großprojekte, von Kongreß- haus, Lokalbahnverlängerung, Kunsthalle, Stadt-Land-Museum, Guggenheim...

Wahrscheinlich wäre auch am Ende des skizzierten Prozesses die Entscheidung gestanden, daß sich Salzburg nicht bewirbt. Das Beispiel Lillehammer 1994 wäre wohl Warnung genug gewesen: In Norwegen nämlich wurden die Ausgaben der Organisation der Spiele zehnmal höher (sic!) als im Bewerbungsbudget vorausgesetzt. Möglicherweise hätte sich Salzburg auch tatsächlich beworben, in der Hoffnung, daß die optimistischen Kostenschätzungen des Sportlandesrates stimmen, und in der Über- zeugung, daß kommerzieller Spitzen-sport etwas mit Sport zu tun hat. Auf jeden Fall wäre für Wissenschaft, Praxis, Verwaltung, Politik, Medien und (!) Be- völkerung Gelegenheit gewesen, sich in einer konzertierten und transparenten Aktion mit der Zukunft unserer Stadt zu beschäftigen.

Vergeigt!