august 1996

Ursula Rotter
kommentar

Alltägliche Behinderung

Behinderte, egal ob körperlich, geistig oder psychisch gehandicapt, sind in unserer Gesellschaft noch immer kaum akzeptiert. Selbst RollstuhlfahrerInnen werden, wie wir von Albert Lindner hörten, noch immer »wie das achte Weltwunder« bestaunt. Wie wenig wichtig das Thema »Behinderung« ist, verdeutlichen wohl am besten die Mikrozensuserhebungen. In der letzten veröffentlichten (aus 1986) haben sich die Statistiker nicht einmal die Mühe gemacht, andere als körperliche Behinderungen (und selbst hier wird nicht zwischen den verschiedene Leiden unterschieden) zu erheben. Es gibt in Österreich rund 1,5 Millionen körperlich behinderte Menschen, das sind 20% unserer Bevölkerung. Davon ca. 83.300 im Bundesland Salzburg. Die Blinden- und Gehörlosenverbände betreuen in der Stadt 1.000 seh- und 3.000 hörbehinderte Frauen und Männer. Rund 18.000 ÖsterreicherInnen sitzen im Rollstuhl, und noch immer gibt es keine verpflichtenden baulichen Bestimmungen, um ihnen das alltägliche Leben zu erleichtern. Rampen werden zu steil, Behindertenparkplätze zu eng oder gar nicht angelegt, Bankomaten und Telefone sind so gut wie nicht erreichbar. Abgeschrägte Gehsteigkanten sind fast nirgendwo zu finden, und an Behindertenklos, die rund um die Uhr offen sind, hat offensichtlich noch keiner gedacht. Leitlinien für Blinde oder Anzeigetafeln für Gehörlose wären einfach zu installieren. Alltägliche Behinderung also - oder Taktik?