august 1996

Ursula Rotter

»Da hamma eh des Lepi!«

Behinderte Badelustige sind in Salzburgs Bädern so gut wie chancenlos

»Sommer war's, der Steg erstickte fast,

an Sommerlust, Lieb und Leid und Sommerkörperlast.«

(aus: Die Sadopoetischen Gesänge des Konstantin Wecker).

Tja, Sommer ist's also. Nichts wie hinein ins kühle Naß, abtauchen und den erfrischten Körper anschließend der Sonne überantworten. Doch so einfach ist das nicht. Schon gar nicht bei einer körperlichen Behinderung. Der kunstfehler machte sich mit Albert Lindner, seit zwölf Jahren Rollstuhlfahrer, auf zu einem exemplarischen Bädertest der besonderen Art. Wie behindertenfreundlich sind Salzburgs Freibäder?

Unser erster Weg führte ins Leopoldskronerbad, von den Einheimischen liebevoll »Lepi« genannt. Nun liegt diese riesige Schwimmanlage nicht gerade zentral. Die Frage nach der Erreichbarkeit drängt sich auf. Für Albert kein Problem - er hat ein eigenes Auto. Doch was, wenn nicht? Die öffentlichen Verkehrsmittel fallen für RollstuhlfahrerInnen aus. Denn die wenigen Niederflurbusse, die derzeit eingesetzt sind, fahren nicht einmal ansatzweise in Richtung Lepi. Bleiben noch die verschiedenen Hilfsdienste und Taxis. Die müssen jedoch zumindest einige Stunden vorher bestellt werden. Spontanaktionen, wie sie das heurige Wetter abverlangt, sind also nicht drinnen. Planung und das leidige »Auf jemanden angewiesen Sein« sind nötig.

Da das Freibad Leopoldskron als »das« Vorzeigebad in Sachen Behindertenfreundlichkeit gilt, besitzt es auch zwei eigens ausgewiesene Parkplätze nahe der Kassa. Die würden an und für sich derzeit auch ausreichen, meint Albert. Wenn, ja wenn nicht, wie wir selbst prüfen konnten, auch andere Fahrzeuge den bequemen, weil Rollstuhl-breiten Ein- und Ausstieg zweckentfremdet nutzen würden. Die Dame an der Kassa überreicht mit der Eintrittskarte auch einen Universalschlüssel für behindertengerechte Klos und Umziehkabinen. Trotz Beschreibung des Weges finden wir die Umkleidemöglichkeit erst nach intensiver Suche. Die Tücke liegt im Detail: die Umkleidekabine liegt in der Warmbrause. Das mag jetzt etwas eigenartig klingen, hat aber durchaus seine Berechtigung. Da die wenigsten Rollis naß werden sollten, befindet sich in der Dusche ein Sitz, der eben auch zum Kleidungwechseln benützt werden kann. Zusätzlich zu diesem einfachen Plastiksessel steht in dieser kombinierten Warmbrause-Umkleidekabine noch eine Liege, die Menschen mit schwererem Handicap (Multipler Sklerose oder Geburtsbehinderungen) das Umziehen erleichtert. Auf dem Weg zum Alu-Becken hat ein mitdenkender Kopf die unsäglichen Fußbäder beseitigt. Bei diesen mit irgendeiner Desinfektionsflüssigkeit gefüllten Wannen war es ohnehin nie klar, ob der Pilz... Egal. Diese Rollstuhlfallen wurden entfernt und so der Weg zum Wasser geebnet. Obwohl am Rand rot und deutlich »Randsprünge verboten« steht, bleibt einem Querschnittgelähmten keine andere Möglichkeit, um ins erfrischende Naß zu gelangen. Das Alu-Becken ist nämlich das einzige Becken mit einem erhöhten Rand. Dieser ist notwendig, um aus dem Rollstuhl ins Wasser überwechseln zu können. Sportlich trainierte Typen wie Albert schaffen den Ausstieg mit Hilfe ihrer Muskelkraft - ältere und nicht so wagemutige bzw. schwerer beeinträchtigete Menschen sind auf Hilfe angewiesen, da es im ganzen Bad keinen Lift gibt.

Bewegung macht hungrig. Deshalb machen wir uns auf den Weg zum Restaurant. Pech gehabt. Nur Stufen führen zu den ungeahnten lukullischen Genüssen. Zwar seien die Angestellten sehr freundlich und brächten das Essen auch gerne über die Stufen hinunter - doch Essen ist eine gesellschaftliche Angelegenheit, aus der eigentlich niemand ausgeschlossen werden sollte. Das Buffet ist zugänglich, nur die Rampe entspricht (so wie die anderen auch) nicht ganz den Empfehlungen. Mehr als acht Prozent Steigung sind für Rolli-FahrerInnen nur schwer zu bewältigen. Die Freizeiteinrichtungen, abgesehen vom Tischfußball, haben passende Höhen.

Unsere zweite Station, das Volksgartenbad, besitzt keine Behindertenparkplätze. Die Rampe ins Areal, die - so gesteht uns der Bademeister - eigens für Kinderwagerl errichtet wurde, ist genauso einladend wie der Blick auf die beiden Becken, mit einem wunderschönen Rand zum Einsteigen. Nur leider gibt es keine rollstuhlgerechten Möglichkeiten sich umzuziehen, auch das vorhandene Behindertenklo ist dafür zu klein. Aber wie meinte dazu der »Badewaschl«? »Da hamma eh des Lepi!« Eine für behinderte Menschen alltägliche Diskriminierung. Im hingegen leicht erreichbaren Restaurant berichtet Albert von der Expo in Sevilla. Dort waren Rollstuhl- und Kinderwagerlzeichen immer kombiniert. Eine bestechend einfache Lösung. Kinderwägen und Rollstühle haben in etwa den gleichen Platzbedarf und stoßen auf ähnliche Probleme (z.B. unüberwindbare Stufen, halsbrecherisch steile Rampen etc.). Zählte man nun zu den Behinderten und Eltern mit Kleinkindern noch die Alten dazu, dann käme man auf gut ein Drittel unserer Gesellschaft. Eigentlich Grund genug, um die längst überfälligen Umbauarbeiten zu starten. Sollte man meinen.

Das dritte städtische Freibad, das von der American Youth Association (AYA) erbaut wurde, ist erst kürzlich umgebaut worden. »Phase eins«, die Modernisierung des Beckenbereichs, wurde abgeschlossen. Der zweite Abschnitt, der die rollstuhlgerechte Adaptierung beinhaltet hätte, ist offensichtlich wegen Geldmangels aufgeschoben worden. Also: Keine Umkleidemöglichkeit, keine Toiletten, und keine Möglichkeit an das Buffet zu kommen. Von Parkplätzen oder gar abgeschrägten Gehsteigkanten ganz zu schweigen. Eigentlich schade, denn das AYA wirkt freundlich und übersichtlich - also auch was für Rollstuhlfahrer mit Familie.

Eine herbe Enttäuschung ist auch das Waldbad Anif. Keine ausgewiesenen Behindertenparkplätze (an der Fläche mangelt es hier nicht), eine Wahnsinns-Wurzelkletterpartie zum durch Stufen »gesicherten« Buffet, natürlich keine Toiletten oder gar Umkleidemöglichkeiten und das Wasser schlichtweg unerreichbar.

Fazit: Zwar wurde in der Vergangenheit in puncto Behindertenfreundlichkeit einiges, aber noch viel zu wenig getan. An den Gegebenheiten kann es nicht liegen, zumeist würden sehr einfache Umbauten (wie Zusammenlegung zweier Kabinen zu einer behindertengerechten) genügen. Es fehlt, so scheint's, der politische Wille.