august 1996

Anton Gugg

Das harte Geschäft mit der Kunst

»Das Herz des Kunstmarktes ist verschwiegen, dunkel und pocht manchmal kriminell«

Kunsthandel ist ein undurchschaubares Gewerbe, und ebenso »sphingisch« sind die Spielmacher im Markt-Match der alten und nagelneuen Dinge, deren Preiskurven für den Außenstehenden in unbegreiflichen Bahnen nach rätselhaften Regeln verlaufen. Wohl auf keinem anderen Marktsegment wird international so viel und selbstverständlich manipuliert, so raffiniert - im kreativen und im weniger seriösen Sinn des Wortes - gezaubert, verschleiert und geschauspielert wie im gewinnbringenden Austausch von Gegenständen, deren Wert von mehr oder weniger schnell wechselnden Konventionen und ökonomischen Entwicklungen abhängt.

Wie die Geschäfte laufen oder vielmehr stehen, wird der lästige Schnüffler auch in Salzburg niemals von den Zügen eines Galeristen oder Kunsthändlers ablesen können. Im Kaufreich der schönen Künste gehört hier wie anderswo demonstrativer Optimismus zur aparten Stewards-Uniform - sollte das Flugzeug auch in einem hartnäckigen steilen Sinkkurs kippen und die Bank am Steuer den Totalabsturz immer wieder abfangen.

Die kleine, aber feine Kunsthandels-Szene der Mozartstadt, die längst nicht mehr von den Erben des lokalen Moderne-Pioniers Friedrich Welz dominiert wird, hat sich in den vergangenen Dezennien erstaunlich verbreitert und setzt speziell in Festspielzeiten qualitativ zu respektablen Höhenflügen an. Haute ist die sommerliche Welt-Musikmetropole in der Lage, dem Kulturtouristen Ausstellungen anzubieten und Objekte zu offerieren, die auch Paris, London oder New York bestens anstünden. Innerhalb des altstädtischen Quadratkilometers haben sich mindestens vier Mitspieler der ersten Kunsthandels-Liga angesiedelt, die Museales feilbieten: vom prominenten französischen Impressionisten und deutschen Expressionisten über rarstes antikes Knüpfwerk, erlesene altchinesische Grabbeigaben bis zum Picasso aus Privatbesitz, der selbst Kennern neu sein dürfte.

Meistganannter Name - in diversen Fernseh-Kulturspots von internatilnalen Kunstmessen und in Lifestyle-Hochglanzmagazinen - ist Thaddäus Ropac, den Lesern von Klatschkolumnen und Festspielbesuchern als Freizeit-Begleiter und Konzert-Beisitzer der seit einiger Zeit zur Kunstmäzenin erwachten Dirigentenwitwe Eliette von Karajan ein Begriff. Was früher einmal offizielle Einführung »bei Hofe« war, brachte die Gerüchte- und Unterstellungsküche der Neidgesellschaft schnell zum bösartig-genüßlichen Schwärmen. Denn wer aus der Konkurrentenschar hätte schon das Glück, plötzlich die Türen zu einem handverlesenen Sammler-Clan geöffnet zu bekommen, der zumindest in Prosperitätszeiten nicht auf Dollar und Mark schauen mußte. Der stets außergewöhnlich soigniert und charmant auftretende, elegant die internationale Künstlerwetterlage kommentierende Osttiroler, der innerhalb kürzester Zeit von seinen nicht gerade spektakulären Räumen an der Kaigasse den Aufstieg zu Österreichs Paradegaleristen geschafft hat, war und ist immer eine eifrig beäugte Quelle unappetitlicher und unschöner Verdächtigungen. Heftige Expansionsbewegungen in Zeiten, in denen anderen die Luft ausgeht - etwa die Eröffnung eines New Yorker Büros, der Ausbau einer der größten Pariser Galerien, anspruchsvolle verlegerische Aktivitäten und Großausstellungsprojekte an Seine und Salzach - veranlassen die Konkurrenz zu Rechenspielen über Fixausgaben und nötige Einspielsummen. Den Galeristen lassen Spekulationen über dubiose Finanzquellen kalt; und Ropac setzt heuer noch eins drauf, indem er eine glanzvolle Picasso-Kollektion samt spezifischen Beiträgen einer hochprominenten Künstlergarde in die angemietete Kastvilla am Mirabellplatz und in die Max-Gandolph-Bibliothek der Residenz holt und noch ein dickleibiges Katalogbuch herausgibt. Gipfel der Provokation in ausgesprochenen Hungerzeiten ist der Ausbau des ebenfalls kostspielig angeheuerten Barockschlößchens Emslieb an der Hellbrunnerallee - auf daß sich dort in edler Umgebung Kunstköpfe aus aller Welt zum Gespräch treffen.

Es gibt eben noch Zauberer, die Feuerwerke abbrennen, wo andere ihr Streichhölzchen zu retten trachten. Obwohl sie lange Erfahrung und blaues Blut haben und somit Vertrauensvorschuß in einer adelsversessenen Kunsthandelswelt genießen: All diese »Eintrittskarten« in die oberen Sammlerzirkel helfen gemeinsam mit angeborenen und angeheirateten Geldreserven nichts gegen eine unwillige Fortuna.

Die Galerie Salis an der Imbergstraße hatte die schönsten frisch adaptierten Ausstellungsräume unter historischen Gewölben weit und breit - gefüllt mit dem Besten aus den Ateliers vor allem französischer Meister. Der Inhalt der inzwischen mit dem Münchner Handelshaus Vertes »verehelichten« Salzburger Galerie ist unverändert und wird in Zusammenarbeit mit Frankreich ständig erweitert, zwingt aber zu jährlicher »Herbergssuche«. Wo einst Impressionisten und andere Klassiker aus dem 19. und 20. Jahrhundert das Auge erfreuten, residiert heute eine politische Partei. Desillusionierender kann ein Widmungswechsel kaum sein, und auch was die »Magnetisierung« des Publikums betrifft, scheint Salis vorübergehend vom Glück verlassen zu sein. Kaum jemanden habe es im vergangenen Jahr zu den exquisiten Aquarellen von Paul Signac in die restlichen Büroräume jenseits der Salzach verschlagen, bedauert die weibliche Seele des Betriebes.

Ein »Standortproblem«, das von anderen Top-Galeristen als für sie nicht existent bezeichnet wird, denn Spitzenwerke fänden ein Publikum, das meist nicht aus eiliger Laufkundschaft besteht.

Zu zwei Salzburger Firmen aus der A-Kategorie muß sich der Kunstfreund weder besonders weit »bequemen« wie zu Salis noch durch eine Billigklamotten-Passage die Galerieräume erklimmen wie bei Ropac in der Kaigasse. Sowohl Welz als auch Sailer residieren hinter noblen Fassaden an der Sigmund Haffner Gasse beziehungsweise gegenüber der Kollegienkirche. Zwei allererste Adressen für den betuchten Sammler, denn sowohl die heimische Klassik von Schiele, Klimt, Kubin und Kokoschka bis zu den frühen deutschen »Wilden« Nolde und Kirchner als auch »Textiljuwelen« aus Nah- und Fernost, aus peruanischen Fürstengräbern und aus den Händen nordamerikanischer Indianer sind heute nicht mehr wohlfeil zu haben. Wobei der beklagenswert selten gewordene Kunde wie ein König behandelt werden will. Denn gerade die reichen bis sehr reichen Herrschaften seien so vorsichtig mit Kunst-Investitionen geworden wie nie zuvor, ist aus einer anderen zentralen Spitzengalerie, der Academia im Residenzhof, zu hören - im Chor vieler rezessionsgeschädigter Kunst-Geschäftsleute, die speziell den Konservativismus und die Zurückhaltung der Salzburger Stammklientel beklagen. Was wirklich umgesetzt wird, darüber schweigt der Gentleman, und darüber geben wohl nur die Steuererklärungen Auskunft. Auszugehen ist wohl davon, daß die Vermittlung von Millionen-Objekten heutzutage harte händlerische Knochenarbeit ist, die angesichts der hohen Beschaffungspreise mit kleinen Renditen belohnt wird.

Evident ist der »Scheincharakter« des gesamten internationalen Markt-es. Ob astronomisch hohe Auktionszuschläge auch wirklich bezahlt werden und ob die Form der Deals auch wirklich korrekt ist, bleibt nicht immer das Geheimnis der Versteigerungshäuser, und gelegentlich trifft man auf verschiedenen Kunstmessen ein und dasselbe »verkaufte« Werk, das eigentlich längst in diese oder jene prominente Kollektion eingegangen war.

Sein und Schein gehören in undurchsichtiger Mischung genauso zum Kunstmarkt wie die schleierhafte Herkunft von Werken, deren Kaufattraktivität durch den Stempel der sogenannten Marktfrische enorm gesteigert wird. Wer einmal durchgefallen ist, wird von einer rätselhaft agierenden Klientel oft jahrzehntelang beiseite geschoben, während qualitätsmäßig unterlegene »Neulinge« Sensationspreise erzielen.

Das Herz des Kunstmarktes ist verschwiegen, dunkel und pocht manchmal kriminell. Es dürfte beunruhigt werden durch die eben von der EU ausgeheckte Nachweispflicht bei Kunstwerken und die Jahrzehnte rückgreifenden Anspruchsrechte von Diebstahlsgeschädigten. Eine umfassende und radikale »Licht-ins-Dunkel«-Aktion, von der sich Österreich noch krampfhaft ausklammert, die jedoch früher oder später auch die alpenrepublikanischen Nebelzonen bereinigen wird.

In Salzburg wäre neben dem Auktionshaus Dorotheum ein Großteil des Handels von der Durchleuchtung der Ware Kunst betroffen. Hier regiert der Handel mit Antiquitäten und alter Kunst, mit Dekorativem, Wertbeständigem und Gutbürgerlichem; Barock, Biedermeier und klassische Moderne sind die traditionellen und bewährten Marktsäulen, und nur ganz selten investieren Salzburger in Kunst, die sich nicht in »gediegenen« Wohnstil integrieren läßt. Dementsprechend karg bestückt ist das Spitzenfeld der echten Sammler. Neben einem Großhersteller von Fleischerei-Maschinen, der hauptsächlich österreichische Zwischenkriegs-Kunst in enormen Mengen anhäuft, verdienen nur drei bis vier Personen den Titel ernsthafter und konsequenter Kollektoren und Förderer, ein verschwindender Prozentsatz in einer Stadt der reichen Leute. Besonders kurios ist dabei der Umstand, daß ein passionierter Flohmarktgeher und pensionierter Krankenpfleger der eifrigste Mäzen aufstrebender Talente ist und im Verlauf von Jahrzehnten dem Rupertinum mehr geschenkt hat als der legendäre Galerist Friedrich Welz.

Eine vergleichsweise mittellose Privatperson rührt in Salzburg mehr um als so mancher standesbewußte Professionelle. Wenig bekannte oder gar neue Namen sind nämlich selten - bei Welz dreht sich das jahrzehntelang mit »alten Bekannten« bestellte Ausstellungskarussell, und »Verkaufskaiser« Ropac, dessen Salzburger Events »maserngleich« rote Punkte aufweisen wie jüngst eine Bilderserie seines Dauerbrenners Markus Lüpertz, zieht für gewagtere Unternehmungen Paris vor.

Die Luft ist hier dünn für junge Zeitgenossen. Atemraum finden sie in der Fördergalerie im Traklhaus, in der subventionierten 5020 und in der Galerie Fotohof. Durchstarter landen gelegentlich in der Galerie Academia und in der ACP-Galerie bei Peter Schüngel zwischen, der in Zusammenarbeit mit der Industrie Mittel und Wege findet, Jungmeister nach Salzburg zu holen, und in seinem imponierenden Raum in Schallmoos gerne Sperriges und schwer Verkäufliches präsentiert.

Von einer lebensbedrohenden Umsatzkrise, die hinter heilen Fassaden verborgen wird, will er nichts wissen, ebensowenig wie die vielen mittleren und kleinen Kunsthandlungen, die auf Kommerzware bauen, ihre Stammklientel pflegen, in kontinuierliche Aufbauarbeit investieren und dauerhaft kleine, krisensichere Ernten einfahren.

So hart das Geschäft mit Kunst heute auch sein mag, so wenig dämpft das die Lust der österreichischen Spitzenhändler, die europaweit teuersten Standgebühren und Infrastrukturen der all-österreichischen Kunst- und Antiquitätenmesse in den Prunkräumen der Residenz zu bezahlen. Und auch auf der Ebene der Millionenobjekte widersprechen einander die Aussagen zur Marktlage aufs Heftigste. Was für den einen der halbe Ruin ist, entpuppt sich für den Standnachbarn als Goldgrube. Wer allerdings den reinen Kunst-Absatz der Salzburger Dorotheums-Filiale beobachtet, verliert schnell den Glauben an eine baldige goldene Zukunft des Schönsten Handelsgewerbes. Dennoch bringt die Flaute beim Kunsterwerb Gerüchte über die Gründung eines privaten Auktionshauses nach Wiener Vorbild nicht zum Verstummen.