august 1996

Thomas Neuhold
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Die Leere der Versprechungen

Der »Dachverband Salzburger Kulturstätten« hat den Rechnungs- abschluß des Landeskulturbudgets 1995 unter die Lupe genommen. Der »kunstfehler« dokumentiert die Untersuchung

Schon der Budgetvoranschlag '95 zeichnete sich durch einen dramatischen Einbruch im Kulturbudget aus: 35 Mio. minus gegenüber 1994 ergab das geringste Kulturbudget, seit der Dachverband Salzburger Kulturstätten die Budgetentwicklung des Landes verfolgt. Es stellte mit ganzen 2,37 % des Landeshaushalt den absoluten Tiefpunkt einer seit Jahren sich abzeichnenden Verschlechterung für Kultureinrichtungen dar. Wurden noch Anfang der 90er rund 2,9 % des Gesamthaushalts für Kultur (im weitesten Sinne) ausgegeben und war man damit lediglich 0,6 Prozentpunkte von dem anvisierten Ziel von 3,5 % entfernt, so sind wir 1995 bereits 1,22 Prozentpunkte entfernt. Denn der katastrophal niedrige Budgetvoranschlag '95 wurde von der Realität noch einmal über - bzw. unterboten. Ganze 8,3 Mio. S wurden gegenüber dem Voranschlag gar nicht ausgegeben, wodurch von '94 auf '95 ein Rückgang von 43,7 Mio. öS oder 9,5 % (+ 3% Inflation) zu verzeichnen ist!

Immer wieder wurde Kulturbetreiber-Innen vorgehalten, auch sie müssen in dieser schwierigen Zeit einen Beitrag leisten; wenn man sich jedoch die Budgetentwicklung genauer ansieht wird klar, daß nicht auch sie sondern vielmehr ausschließlich sie gemeint waren: Während die Ausgaben des Landes - allen öffentlichen Ankündigungen zum Trotz - von 1994 auf 1995 um 1.129 Mio. öS oder 6,6% stiegen und neun von zehn Budgetpositionen Ausgabensteigerungen zu verzeichnen hatten, wurde einzig im Budgetansatz »Kunst, Kultur und Kultus« mit einer Kürzung von fast 44 Millionen Schilling der historische Tiefstand von 2,28% am Gesamthaushalt erreicht !

Daß die langjährige Forderung des Dachverbands Salzburger Kulturstätten nach 3,5 % Anteil des Kulturbudgets am Gesamthaushalt nicht eine willkürlich hoch gegriffene Forderung darstellt, belegt in erster Linie der Bundesländer-Vergleich. Darüber hinaus haben auch der Landeskulturbeirat und die obersten Kulturbeamten bereits vor Jahren eine gleichlautende Forderung aufgestellt.

Und bei einer Parteien-Befragung des Dachverbands Sbg. Kulturstätten vor der Landtagswahl 1994 haben ÖVP, SPÖ, FPÖ und Bürgerliste dieser Forderung nicht nur zugestimmt, sondern versprachen, sich für die Erfüllung dieser Forderung bis 1997 einzusetzen.

Das Gegenteil ist nun der Fall.

Ob die leeren Versprechungen der maßgeblichen Regierungsfraktionen nun als bewußte Lügen zu sehen sind oder ob einfach wieder einmal die sogenannten Sachzwänge - sprich: mächtigere Lobbies - obsiegten, ist einerlei. Konsterniert müssen wir feststellen, daß offenbar ein Großteil der Regierungsmitglieder - bewußt oder unbewußt - die Auffassung vertritt, Kultur sei ein Zuckerguß im Leben, den man sich leistet, wenn es leicht geht, der jedenfalls wegzulassen ist, wenn die Zeiten härter werden.

Daß sich der Trend fortsetzt, zeigt der Voranschlag '96, der mit 2,36 % des Gesamthaushalts noch einmal unter dem '95er-Voranschlag liegt.

Die gern zitierte Beifügung »Kulturland« respektive »-stadt Salzburg« ist damit endgültig zum selbstüberschätzenden Attribut eines brutalen, touristischen Ökonomiedenkens degradiert, das unter historisierenden Aspekten KünstlerInnen ausschlachtet, die oft genug von diesem sprichwörtlichen Salzburger Kleingeist flüchteten.

Das Ziel von 3,5 % des Gesamthaushaltes oder rund 660 Mio. muß für 1997 energisch in Erinnerung gerufen werden!

Als dringenden ersten Schritt eines Kultur-Überlebensprogramms fordert der Dachverband für 1997 eine Erhöhung von 100 Mio. öS auf 540 Mio., womit zumindest der (ohnehin schlechte) Stand von Anfang der 90er Jahre erreicht wird - also rund 2,8 %.

Das Kulturbudget im Detail

Obwohl 1995 insgesamt fast 44 Mio. öS weniger für kulturelle Zwecke ausgegeben wurden, gab es auch hier - entgegen allen Beteuerungen, daß alle sparen müßten und niemand erhöht würde - Einrichtungen mit zum Teil recht ordentlichen Steigerungen (zulasten der

anderen).

In der Liste der Gewinner scheinen - mit einer Ausnahme - ausschließlich große traditionelle Einrichtungen auf, Einrichtungen also, die bereits bisher den Großteil des Kulturbudgets verschlangen.

Der »Rest« hatte damit neben den eingesparten 43,7 Mio. auch noch die Erhöhungen bei den »Großen« von 15,5 Mio. aufzufangen, in Summe also 59,2 Mio öS!

Die acht großen, traditionellen Kulturinstitutionen beanspruchten 1995 öS 254 Mio oder 61 % des Kulturbudgets; nimmt man die Sammelposition Burgen und Schlösser dazu sogar öS 307 Mio. oder Dreiviertel des Kulturbudgets!

Diese für KünstlerInnen und für kleine und mittlere Einrichtungen bedrohliche Entwicklung ist zwar seit 1989 bekannt, daran geändert hat sich jedoch nichts. Kleinere Einrichtungen haben ohne mächtige Lobby im Hintergrund und ohne offenbar von Gott gegebenen und nicht von demokratischen Institutionen beschlossenen gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtungen nach wie vor keine Entwicklungs-Chance. Einen erfreulichen Lichtblick stellt dabei zwar die im letzten Jahr beschlossene, gesetzliche Grundlage für eine »Mittelfristige Finanzierungsvereinbarung« dar; ihren tatsächlichen Wert muß man aber erst überprüfen, wenn die erste Vereinbarung mit realen Zahlen abgeschlossen wird!

Wir fordern daher nachdrücklich eine Trendumkehr innerhalb des Kulturbudgets: einen höheren Anteil des Kulturbudgets für die »freie Kulturszene«, für kleine und mittlere Kultureinrichtungen in Stadt und Land Salzburg sowie eine Gleichstellung der mittleren Einrichtungen mit den »G 8 des Kulturbudgets«, da sie mit den gleichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, wie diese (langfristige Verträge, Personal, Mieten)!

Deutlich zeigt die Budgetentwicklung, daß ein Zusammenschluß von kleinen und mittleren Kulturinitiativen in Stadt und Land notwendiger ist denn je. Offensichtlich ist dies jedoch nicht gewünscht; wie anders wäre zu erklären, daß für eine landesweite Kulturinitiativen-Vertretung 1995 lediglich 150.000,- öS zur Verfügung gestellt; für 1996 überhaupt nur mehr 143.000,- in Aussicht gestellt wurden. (zum Vergleich: Die Kulturplattform Oberösterreich (KUPF) wird heuer mit rd. 2. Mio. öS vom Land OÖ. gefördert: 2 Arbeitsplätze, Büro + Infrastruktur sowie Projektmittel, ähnlich in NÖ, Kärnten, Burgenland, Steiermark, ...)

Die in Aussicht gestellten 143.000,- für 1996 decken lediglich das regelmäßig erscheinende und in Stadt und Land affichierte Gemeinschaftsplakat Kultplan. (Vergleich: European Art Forum: der Budgetvoranschlag 95 (S 500.000,-) wurde um 600.000,- (auf 1,1 Mio. S) überzogen; zusätzliche Mittel sind 96 budgetiert.)