august 1996

Thomas Neuhold
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Werkverträge: Rot-Schwarze Geisterfahrt

Wo es keine Umgehungsmöglichkeiten gibt, droht Arbeitslosigkeit

Eingangs zur Erinnerung: Seit 1. Juli dieses Jahres unterliegen in Österreich die Werkverträge einer neuen Gesetzeslage. Kurz gefaßt sind die meisten Werkverträge und freien Dienstverträge über 3.600 Schilling monatlich sozialversicherungspflichtig. Der Auftragnehmer hat 13,5, der Auftraggeber 17,2 Prozent der Auftragssumme zu berappen. 30,7 Prozent sind aber nicht genug: Weitere 20 Prozent werden als Abzugssteuer in Form einer Vorauszahlung auf die Einkommenssteuer kassiert. Meldepflichtig sind sowohl Werkvertragsnehmer wie Arbeitgeber.

Soweit - ohne Details - die Grundzüge jener Abzockerei, die in einem beispiellosen Pfusch, der monatelang bei sämtlichen Betroffenen eine unzumutbare Rechtsunsicherheit hinterlassen hatte, im ersten Halbjahr 96 »ausgearbeitet« worden ist. Die wirtschaftlich für viele Betroffene - egal ob Vertragsnehmer oder Geber - völlig unhaltbare Verteuerung des Faktors Arbeit um durchschnittlich je ein Sechstel - bei gleich- zeitiger Vorstreckung eines zinsenlosen Kredites an den Staat in Höhe von 20 Prozent des Einkommens - wird zwangsweise zu Reaktionen führen.

Als wahrscheinliche Variante gilt, daß Vereine, ihre »WerkvertraglerInnen« - beispielsweise Studierende, die sich so ihr Studium finanzieren - aufgrund der immensen Kosten und des bürokratischen Aufwandes kündigen und stattdessen ein oder zwei neue Kräfte anstellen. Das versteht dann die SPÖ wohl unter »Vollbeschäftigungspolitik«. Ein anderer Reflex geht genau in die gegenteilige Richtung: Der Betrieb kann nunmehr seine Angestellten schlicht mit der Alternative Kündigung und Weiterbeschäftigung über Werkverträge oder endgültiger Rauswurf konfrontieren. Auch das macht die SPÖVP möglich: War früher die Umgehung eines Angestelltenverhältnisses via Werkvertrag illegal und konnte vor dem Arbeitsgericht - oft erfolgreich - be-kämpft werden, so ist dieser sozialpolitisch wenig wünschenswerte Zustand nunmehr legalisiert.

Insgesamt wird nach unten nivelliert: Angestelltenverhältnisse können leichter in ungeschütztere Werkverträge umgewandelt werden, echte Werkverträge aber werden unfinanzierbar, und ein ganzes Segment des Arbeitsmarktes droht zu kollabieren. Ausnahmen aus der Sozialversicherungspflicht werden dabei nicht etwa für kleine Vereine oder einkommensschwache Personen getroffen. Nein, mit der »Lex Dichand« werden die Zeitungskolporteure - also just jene WerkvertragsnehmerInnen, die am ehesten von einer Krankenversicherung profitieren könnten - von der Sozialversicherungsplicht »befreit«, um so der Media Print weitere 200 Millionen zuzuschanzen.

Damit aber nicht genug der Chuzpe. Die Großkoalitionäre haben sich selbst nämlich gleich einmal von der Sozialversicherungspflicht ausgenommen. Richtig gelesen: Gewerkschafts- und Kammerfunktionäre sind ebenso per Verordnung »Unberührbare« - wie Aufsichtsräte (sic!). Daß die parteinahen Bildungseinrichtungen Wifi und Bfi sich die neue Abgabe ebenfalls sparen können, wundert da nicht mehr, hat aber immerhin den privaten Sprachschulen die Möglichkeit einer Verfassungsklage in Sachen Gleichheitsprinzip ermöglicht.

Und da schwafelt die herrschende Nomenklatur von sozialpolitischer Motivation, die der neuen Steuer zugrunde läge. Ein Beispiel, wie weit sich dabei die Funktionäre von der Wirklichkeit abgekoppelt haben, lieferte Anfang Juli SPÖ-Landesparteivorsitzender Gerhard Buchleitner. Zur Tatsache, daß es in Salzburg rund 600 arbeitslose JunglehrerInnen gibt, merkte er gegen-über MedienvertreterInnen an: Er werte es als Erfolg, wenn 150 Personen untergebracht werden könnten, »der Rest jobbt irgendwo.« Nix da, Herr Buchleitner! Welcher Kulturverein kann sich denn eine(n) um 20 Prozent teureren WerkvertraglerIn - vom zusätzlichen administrativen Aufwand ganz zu schweigen - noch leisten? Oder sollen wieder einmal alle Kosten auf die ArbeitnehmerInnen abgewälzt werden? Das würde aber einer Honorarkürzung um ein Drittel gleichkommen. Die Gagen sind ja jetzt schon nicht besonders fett...

Zwang zur Umgehung

Es ist weniger der so gerne zitierte Universitätsprofessor, der regelmäßig in Wissenschaftszeitungen publiziert, den die 30prozentige Verteuerung seiner Arbeitskraft trifft. Vielmehr bangen freie Berufe - WissenschafterInnen, JournalistInnen, KünstlerInnen - sowie StudentInnen, die sich ihr Studium finanzieren müssen, um ihre Existenz. Zwangsläufig läuft die Suche nach Umgehungslösungen allerorts auf Hochtouren.

Als kostengünstigste Variante bietet sich dabei die Gründung einer OEG (Offene-Erwerbs-Gesellschaft) oder einer KEG (Kommandit-Erwerbs-Gesellschaft) an. Damit reduzieren sich die Kosten theoretisch auf die Meldung beim Firmenbuch. Praktisch wird man jedoch ohne Steuerberater und Rechtsanwalt nicht weit kommen. Der Präsident der Salzburger Kammer der Wirtschaftstreuhänder, Franz Bauer, warnt in diesem Zusammenhang aber gegenüber dem »kunstfehler« vor allzu früher Euphorie: Zu befürchten bleibe, daß der Gesetzgeber dieses Schlupf-loch früher oder später schließe, indem er die Gültigkeit der Meldepflicht auf diese Gesellschaften einfach ausweiten werde, so Bauer.

KünstlerInnen und JournalistInnen, sofern diese Tätigkeit ihre Haupteinnahmequelle darstellt, haben zusätzlich die Möglichkeit bei der Gewerblichen Versicherung eine Pensionsversicherung anzumelden. Damit gelten sie als pflichtversichert und sind von der Schröpfaktion der Regierung ausgenommen. Mit 13,5 Prozent Abgabe vom Nettoeinkommen (ab kommendem Jahr 14,5 Prozent) ist diese Variante aber nicht ganz billig.

Wirtschaftlicher Unsinn

Von der Frechheit von SPÖ und ÖVP, sich und nahestehende Institutionen auszunehmen, sowie vom arbeitsmarktpolitischen Wahnsinn einmal abgesehen: Selbst wenn man sich in die Sanierungslogik hineindenkt, ist die Maßnahme blanker Unsinn. Die sozialpolitische Abteilung der Wiener Wirtschaftskammer hat ausgerechnet, daß für die Pensionsversicherungen langfristig mehr Kosten entstünden als Einnahmen getätigt werden. Bei einer 15jährigen Tätigkeit über Werkvertrag und bei einem gesetzlich angenommen durchschnittlichen Einkommen von 19.500 Schilling nimmt die Pensionsversicherung 800.000 Schilling ein, muß aber 963.000 Schilling ausbezahlen. Würde nur jeder dritte, der unter das Gesetz fällt, sich aus seinen Werkverträgen einen Pensionsanspruch erwerben, dann würde die Pensionsversicherung auf Sicht jährlich rund 300 Millionen Schilling verlieren.

Dies verdeutlicht das grundsätzliche Dilemma, das hinter dem Werkvertrags-chaos steht. Mit der weiteren Verteuerung des Faktors Arbeit wird das Sozialsystem mittelfristig endgültig kippen. Das Steuersystem bräuchte eine weitaus grundlegendere Reform als bloße Abzockerei durch eine phantasielose, apolitische und selbstgefällige Gewerkschafts- und Kammernnomenklatur.