august 1996

an uns

LeserInnenbriefe

Anmerkungen zur Ludwig Lahers Kolumne »Wenn & Aber« vom Juni 96

Die Umfahrung Lambach der Westbahnstrecke wurde nicht errichtet, um das dortige Stift vor den Blicken der Reisenden zu schützen, genausowenig wie eine Verkürzung der Reisezeit der ausschlaggebende Grund für den Bau war. Über den Bahnhof Lambach sind die beiden Papierfabriken Steyermühl und Laakirchen mit dem Schienennetz verbunden.

Da Eisenbahnzüge beim Linksabbiegen um mehr als 90 Grad systembedingt Schwierigkeiten haben, mußte bis zur Inbetriebnahme der Umfahrung der gesamte Rangierbetrieb während der dichten Zugfolge aus dem überregionalen Güter- und Personenverkehr abgewickelt werden. Dies ist aber immer mit einem Risiko - vor allem für die Bahnbediensteten - verbunden. Da mit der Umfahrung auch gleichzeitig eine Vergleichmäßigung der Streckengeschwindigkeit - Züge und hier vor allem Güterzüge können vieles, nur nicht schnell bremsen und beschleunigen - erreicht werden konnte, hatte dieses Projekt eine höhere Priorität und wurde daher im Zuge des Ausbaues der Strecke St. Pölten - Attnang-Puchheim vorgereiht.

Ich weiß nicht, ob Ihnen bekannt, aber die Westbahn soll zwischen Wien und Wels viergleisig ausgebaut werden. Grund dafür ist, daß in diesem Abschnitt mit 250 Zügen pro Tag die Kapazitätsgrenze für eine zweigleisige Strecke erreicht ist. Wobei bereits bei einer derart dichten Zugfolge (ca. alle 6 Minuten ein Zug) geringste Unregelmäßigkeiten unweigerlich Zugverspätungen zur Folge haben, wie Sie ja selbst bemerkten. Sie haben völlig recht, man hätte ohne weiteres die Westbahn, welche durch den Ort Krummnußbaum führt, um zwei Geleise erweitern können, um den Reisenden den Blick auf das Donauufer zu erhalten. Leider hätten aber viele Anrainer, weil abgesiedelt oder durch hohe Lärmschutzwände in der Sicht behindert, diese verloren. Auf jeden Fall wäre dieser Ausbauvariante der Bahnhof samt seinem Schild zum Opfer gefallen.

Über die Frage - »Was kommt danach« - machen Sie sich keine Kopfzerbrechen. Zufolge Geldmangels und zeitraubender Genehmigungsverfahren sowie daraus resultierender Auflagen geht der Ausbau so schleppend voran, daß Sie noch mindestens ein bis zwei Jahrzehnte Richtung Wien fahren können, ohne daß die Baustellen ausgehen werden.

Erlauben Sie mir noch folgende abschließende Bemerkung:

Daß wir heute auf die Schiene als Alternative zur Straße zurückgreifen und darauf aufbauen können, haben wir nur der Weitsichtigkeit oder dem technischen Größenwahn - je nach Sichtweise - unserer Vorväter aus dem 19. Jahrhundert zu verdanken oder zu verübeln, welche zu dieser Zeit ein Schienennetz mit einer Kapazität schufen, für das damals überhaupt kein Bedarf da war, und Streckengeschwindigkeiten, für die es nicht einmal Lokomotiven gab. Auf Basis unseres heutigen Denkens hätten sie zwischen Wien und Salzburg höchstwahrscheinlich eine Schmalspurbahn errichtet, denn dem alten Kaiser waren diese neumodischen Dampfrösser sowieso suspekt.

Andreas Leitner, Ingenieursgem.

für Geotechnik und Tunnelbau

5020 Salzburg