august 1996

kurzfehler

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Wilfried Raith, ehemaliger Salzburger Behindertenbeauftragte (und selbst Rollstuhlfahrer), hat im Juli 1995 nach jahrelangem Kampf gegen die Windmühlen der Bürokratie gekündigt. Nun ist die Abteilung ein Jahr lang ohne Leitung. Im Büro des ressortzuständigen Stadtrats Huber weist man jede Schuld an der langsamen Nachbesetzung von sich. Derzeit ist es nämlich noch so, daß die Ressortleiter zwar die Hoheit über die Agenden, nicht aber über das Personal haben. Und etwaige Neueinstellungen und Ausschreibungen gehen daher noch immer vom Personalamt aus. Im Büro des zuständigen Vizebürgermeisters Schaden wiederum schiebt man die Schuld auf die Strukturreform, die vergangenen Herbst durchgeführt wurde. Nachdem sicher war (immerhin bereits letzten November), daß sich die Stadt auch weiterhin einen eigenen Behindertenbeauftragten, der in der Magistratsgeschäftsordnung in §7d gigantische Agenden eingeräumt bekam, leisten darf, versuchte man, »hausintern« nachzubesetzen. Nachdem der Andrang aber gar so groß war, hat sich Personal-Chef Schaden zu einer Ausschreibung entschlossen. Es bleibt zu hoffen, daß der/ die neue Behindertenbeauftragte bessere Arbeitsbedingungen vorfindet und der Posten nicht, so wie bei Raith, zum »Alibijob« ohne Vetorecht verkommt.

Das AIDS-Memorial in Salzburg, für das die Bürgerliste eingetreten ist, wäre ein probates Mittel gewesen, um »Tabuisierungen aufzubrechen, Stigmatisierungen zu nivellieren, Diskussionen zu entfachen«. Dieses Projekt wurde mit den vereinten Kräften der stimmstarken drei anderen Fraktionen im Gemeinderat nun wohl endgültig ad acta gelegt. Es überrascht nun wohl nicht so besonders, daß ÖVP und FPÖ nicht besonderen Gefallen daran fanden, daß an einem zentralen Platz der Mozartstadt auf Pflastersteinen die Namen der in dieser Stadt an AIDS verstorbenen eingemeißelt sind und auf diese Weise eine fatale, doch umso mehr tabuisierte und verdrängte Krankheit ins Bewußtsein gebracht wird - und dies an einem öffentlichen Ort der auf Schönheit und Konsens bedachten Altstadtkulisse. Im weniger schönen Klartext hieß dies dann etwa, daß nur an AIDS verstorbene BürgerInnen mit besonderen Verdiensten auf diese Weise verewigt werden sollten oder daß es (Kirchenbesucher, die ihr über die Gräber verblichener Geistlicher schreitet, aufgepaßt!) nicht pietätvoll wäre, auf die Namen von Toten zu steigen. F-Stadtrat Mitterndorfer ging sogar an den rhetorischen Balanceakt, die letale Tragik von AIDS gegen jene von Krebs auszuspielen. Seitens der SPÖ kam der Einwand, es gäbe Wichtigeres zu tun und man würde daher lieber für den Ausbau von dringend benötigten Pflegeplätzen für AIDS-Patienten eintreten - was die Bürgerliste eigentlich schon seit langem, bis dato allerdings vergeblich, gefordert hatte. Mit einer unverschämt großen Portion an Vertrauen in Effizienz und Problembewußtsein des Gemeinderates könnte also sogar gesagt werden, daß das AIDS-Memorial zwar bloß Idee geblieben ist, aber doch zumindest ein klein wenig etwas bewirkt hätte

Gewerkschaftsbund und katholische Kirche haben etwas gemeinsam: Beiden laufen zunehmend die Mitglieder davon. Wie aus der Mitgliederstatistik des ÖGB für 1995 hervorgeht, haben im vergangenen Jahr rund 16.000 ÖsterreicherInnen (entspricht rund einem Prozent) ihrer Interessensvertretung den Rücken gekehrt. Bezeichnend war die Reaktion im Salzburger ÖGB-Haus: »Werbekampagne«. Daß sich viele der rund 77.000 Salzburger Mitglieder angesichts der gewerkschaftlichen Zustimmung zum Sparpaket schlecht vertreten fühlen oder sich einfach ob der ungustiösen Machtkämpfe um die Nachfolge von AK-Chef Suko angewidert abwenden - daß auf die Idee noch niemand gekommen ist?