september 1996

Didi Neidhart
gelesen

Thomas Meinecke, The Church Of J.F.K.

(edition suhrkamp)

Wenn jemand Wenzel Assmann heißt und nach Amerika reist, sind Mißverständnisse unausweichliche Reisebegleiter. Besonders wenn es ihn wegen transatlantischer Studienzwecke dorthin verschlägt, die die verschlungenen und oftmals ins Nichts führenden Spuren der German-Americans in der Neuen Welt zum Thema haben. Mit der vermeintlichen Suche nach identitätsstiftenden Wurzeln hat die dritte, raffiniert komplexe Buchveröffentlichung von Thomas Meinecke (Musiker bei FSK, Radio-DJ, Herausgeber der »Texas Bohemia«-Sampler) jedoch nichts am Hut. Schon die verschachtelte Konstruktion der Sprache und ihr an literarischen Amerika-Erfindern wie Karl May orientierter Stil arbeiten in eine entschieden andere Richtung. Auch sucht unser Held, wenn schon, dann eine Identität, die sich als Nicht-Identität/Differenz definiert. Unschwer als postlinker Popfan zu erkennen, bereist er die USA auch wegen ihrer dialektisch nicht aufzwirbelbaren Widersprüche, welche, trifft er real auf sie, jedoch oft ein Schädelbrummen verursachen, von dem er in keiner Diskursrunde je gehört hat. Schwere Turbulenzen in Assmanns Hirnschmalz verursacht aber vor allem die Alte Welt. In der BRD tobt und wütet die »Wiedervereinigung« (incl. ekeliger deutsch-amerikanischer Freundschaft in Sachen »New World Order«) und, als würde das nicht reichen, schließen sich Teile der Linken dem völkischen Spektakel auch noch an. Derart vom Atem der Geschichte vom Studienreisenden zum Auswanderer in spe gemacht, werden Fragen nach Subversion und radikaler linker Politik zu akuten Krisengebieten, die auch nicht durch Zeugnisse von Auswanderern entschärft werden, die Marx/Engels in ihrem Schiffsgepäck mitgeführt und funktionierende autonome Kommunen gegründet hatten. Denn die Gefahr, gerade durch die Dokumente gelebter linker Utopien inmitten des hegemonialen Führungsanspruchs des »American Way Of Life« an dessen Festigung als Mythos mitzubasteln, ist groß. Daß Assmann, gerade weil er sich dessen bewußt ist, nicht verhindern kann, sich wie ein Greenhorn zu benehmen, gehört nur zu einem der unzähligen Romanhöhepunkte.