september 1996

Christa Obermeier

Guerilla Girls

King Konga und der weiße Mann oder: »How A Bunch Of Masked Avengers Fight Sexism & Racism In The Art World With Facts, Humor And Fake Furs«

Auf Einladung der Internationalen Sommerakademie für Bildende Kunst waren im Rahmen der Vortragsreihe zur Kunst des 20. Jahrhunderts zwei Vertreterinnen der Guerrilla Girls aus New York in der Mozartstadt, um den mehr als zahlreich Anwesenden nicht nur ein faktenreiches, informatives Referat mit einer Fülle an Material zu bieten, sondern auch eine Präsentationsform vorzustellen, die den Neutralplatz herkömmlicher Kunstkritik weit hinter sich ließ. Die beiden in Gorillamasken auf der Bühne agierenden und agitierenden Frauen (die auf die Frage nach ihrer Gesamtstärke lapidar meinten: »So zwischen zwei und tausend allein in New York«) passen ja auch irgendwie nicht so recht in die Vorstellungsmuster, die wir uns in hiesigen Breiten von »Kunst«-Vorträgen gemacht haben. Schon gar nicht, wenn es dabei um Themen wie Rassismus, Sexismus, Homophobie und Zensur in der Kunstwelt geht.

Erstmals öffentlich in Erscheinung getreten sind GGs 1989 mit einer Plakataktion, bei der sie die Frage stellten, ob Frauen nackt sein müssen, um im Metropolitan Museum ausgestellt zu werden, und die Antwort/ Feststellung lautete: »Less than 5% of the artists in the Modern Art Section are women, but 85% of the nudes are female«. Damit war der Startschuß gegeben für politische Aktionen, die weit über das Feld der Kunst hinausreichen und angesichts der gesellschaftlichen Realitäten, die unter der Reagan/Bush-Administration entstanden sind, mehr als zwingend, wenn nicht überlebensnotwenig wurden. Den Knackpunkt stellten dabei die Hetzkampagnen des ultrarechten republikanischen Senators Jesse Helms gegen die Männerakte des Fotographen Robert Mapplethorpe dar. Die Antworten der GGs auf diesen Feldzug gegen »Entartete Kunst« (nicht anders äußerte sich Helms dazu öffentlich) waren ein Plakat mit der Headline »Relax Senator Helms, The Art World Is Your Kind Of Place!« (begründet u.a. durch die Feststellung »The majority of exposed penises in major museums belong to the Baby Jesus«) und die Aufforderung, Männer mögen doch ihre »schlongs« an Helms schicken. »With a note attached, saying 'Dear Jesse: There won't be any more left in the art world!' Yes, we want to see every prick in the audience in the senator's office in the morning. Fuck faxing a protest letter, send the real thing!«

Diese Beispiele veranschaulichen sehr gut das strategische Konzept der GGs, bei dem Kunst als politischer Faktor verstanden wird. »Kunst«, so Renate Lorenz im Sampler »Copyshop« (Hg.: BüroBert), »als von Außen geführter Kommentar zur Maschine Gesellschaft ist schon deshalb nicht denkbar, weil klar ist, daß Kunst und die in ihrem Umfeld produzierten Diskurse oder die dort vorgenommenen Wertsetzungen an der Produktion gesellschaftlicher Wirklichkeit teilhaben. Kunst ist in Zusammenhänge involviert und bestimmt Zusammenhänge, welche üblicherweise aus der (Kunst-)Kritik ausgeklammert bleiben.«

Sowohl die Produktionsbedingungen im Kunstmarkt wie seine Produkte (re-)produzieren die gesellschaftliche »triple oppression« (race, class, gender), gegen die es mit Aktionsformen anzukämpfen gilt, die weit über die Erörterung ästhetischer Fragen/Probleme hinausreichen müssen.

Die GGs tun dies, indem sie Dokumentation und politische Arbeit miteinander verbinden, Elemente aus Werbung, Kunst, Performance, Videoästhetik und Theorie als Basis für politisches Handeln verwenden und dabei Strategien verfolgen, die sowohl aus nicht-diskursiven Praktiken bestehen (z.B. Aktionen, situationistische Inszenierungen) als auch vom Wissen getragen sind, daß Protestformen, will man über den eigenen, elitären Zirkel hinauswirken, massenkompatibel verpackt sein müssen. Dazu gehört das »d'tourment«, die Zweckentfremdung und inhaltliche Neuaufladung spezifischer ästhetischer Formen ebenso wie »the subversive strategy of laughter«, von der Jo Anna Isaak in ihrem Buch »Feminism & Contemporary Arts« spricht. Besonders der Performance-Charakter öffentlicher Auftritte der GGs und vor allem die Gorilla-Masken betonen diesen Aspekt. Wie gut dies funktioniert, ohne zum dumben Polit-Kabarett zu degenerieren (wie wir es als unnötige Einlage diverser Veranstaltungen nur allzu gut kennen und hassen), zeigte auch der Salzburger Vortrag. Wobei »Live-Auftritt« wohl der passendere Begriff wäre.

In Interviews verwenden die GGs Pseudonyme wie Frida Kahlo, Käthe Kollwitz, Gertrude Stein - die Namen berühmter, meist erst nach ihrem Tod von der Kunstkritik »entdeckter« Künstlerinnen. Mittels der Masken bündeln sich verschiedenste Diskurse. Zudem schaffen diese eine Anonymität, die keine Verknüpfung mit den individuellen Kunstarbeiten und Karrieren der einzelnen GGs zuläßt, wodurch die Gegner nur allzu leichtes Spiel hätten, indem sie sich auf einzelne GGs einschießen und gesellschaftliche Probleme so zu persönlichen herunterspielen könnten. Die kollektive Gleichheit der Masken schließt individuelle Unterschiede weder aus noch nivelliert sie sie, vielmehr ermöglicht sie das Sprechen über main issues, ohne die heterogene Zusammensetzung der Betroffenen (AfroamerikanerInnen, Schwule/Lesben, Frauen) außer Acht zu lassen. Dazu gehören auch diverse Bündnisse mit politischen Selbsthilfegruppen wie ACT UP (die Aids nicht als persönliches Problem, sondern als politische Krise, hervorgerufen durch Homophobie, unzureichende medizinische Betreuung und fehlende Aufklärungsarbeit verstehen und bekämpfen), der Women's Action Group (WAC) und der Artists & Homeless Collaborative.

Die Guerilla Girls lehnen etwaige Beitrittsversuche kategorisch ab: »You don't need us. We are no geniuses.« Sie muntern aber dazu auf, ihre Ideen einfach zu klauen und mit Kampagnen, Aktionen, Gnadenlosigkeit und Witz gegen all jene anzu-kämpfen, die Weiß, Männlich oder Heterosexuell als Maßstab aller Dinge sehen. Woraufhin es u.a. zu den Gründungen der GGs-West (San Francisco), der Sister Serpents (Chicago), Mothers Of Medusa (Los Angeles), Las Chicas Guerrillas (Barcelona) sowie den übergreifenden Aktionsgruppen Godzilla (Asian-Americans) und Border Arts Work-shop (die im Feld der Immigrants-Problematik agieren) kam.

Also: »You don't need a penis to be a genius!«

Für InteressentInnen: Unter dem Titel »Confessions Of The Guerrilla Girls« ist bei Harper Perennial ein Kompendium über die bisherigen Aktivitäten erschienen. Zusätzlich gibt es noch den Newsletter »Hot Flashes«, zu beziehen über c/o GG, 532 La Guardia Pl. # 237, New York, NY 10012. Für »Straight white males with superior earning power« um 12, für den Rest der Welt um 9 Dollar pro Jahr (plus Shipping).