september 1996

Ursula Rotter

»Das hierachische Modell hat ausgedient«

Ein Portrait des Obmanns der IG Kultur Österreich, Werner Wolf

Die Frage nach der Person ist leicht zu beantworten - oder aber auch nicht. Denn der freundliche Herr mit Lesebrille vereint mehrere Schichten in sich. So ist er einerseits natürlich die Privatperson Werner Wolf, die gerne liest und kocht, sich Vater eines erwachsenen Sohnes nennen darf und früher, ganz früher einmal politischer Redakteur der Grazer SPÖ-Zeitung »Neue Zeit« war. Nachdem JournalistInnen, ganz egal in welchem Ressort auch immer sie werken, einen ganz eigenen Bezug zum Begriff »Wahrnehmung« haben, mutierte der Redakteur zum Therapeuten. Zum Gestalttherapeuten, um genau zu sein. In diesem neuen Beruf spürte er mit all seinen Sinnen den Befindlichkeiten seiner KlientInnen nach. Eine Wahrnehmung der ganzen Person, innen wie außen. Doch wie es so ist, hat ihn der Journalist nicht ganz aus seinen Klauen entlassen und Werner Wolf initiierte ein Modellprojekt »Schulversuch Medienerziehung«. Zentrales Thema hierbei: Die Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine. Und mit welchen Filtern das Wahrgenommene verarbeitet werden kann. Der Schulversuch des Medienpädagogen wurde erst nach zehn Jahren Realität, dafür nahm ein anderes Projekt schneller Gestalt an. Das Museum der Wahrnehmung, kurz MUWA. Das Wolf'sche Lebensprojekt, das ihn ganz und gar gefangenhält und von dem er nach vielen Jahren zärtlich und liebevoll spricht.

Das ist die eine, wahrscheinlich bekanntere Seite des W.W. So »ganz nebenbei« ist er nämlich noch Obmann der IG Kultur Österreich und sieht sich als solcher nicht nur verantwortlich für Kultur im engeren Sinn, sondern für einen weiter gesteckten Begriff von Kultur als gesellschaftlichen Faktor. »Auch zu allgemeinen, öffentlichen Fragen sollte sich die Kultur äußern, dranbleiben und Widerstand leisten«, meint er. Ganz allgemein kümmert sich die Interessensgemeinschaft Kultur mit ihren verschiedenen Teilorganisationen (wie dem »Dachverband« in Salzburg) um die Belange ihrer rund 500 großen und kleinen Mitglieder. Am einfachsten ist sie vermutlich an einem Beispiel darzustellen. Bisher (bis zur letzten Wahl) war es üblich, den alljährlichen Landes-Finanzierungsanteil der Freien Szene aus dem Nachtragsbudget und dem Pouvoir des Landeshauptmanns zu begleichen. Nach dem Rücktritt Josef Krainers wanderte das Kulturressort zum jetzigen LH-Stellvertreter Schachner-Blazicek. Dieser verfügt über kein frei verfügbares Geldsäckchen, das heißt, es mußten neue Möglichkeiten der Finanzierung der Freien Szene gefunden werden. Die IG Steiermark beanspruchte daher den »Kulturschilling«, der gleichzeitig mit der Radio- und Fernsehgebühr eingehoben wird. Da dieser bisher ins normale Budget geflossen ist und dort auch aufgebraucht wurde, erhöhte das Land Steiermark den Beitrag kurzerhand um 50%. 24 Millionen davon stehen jetzt den Freien zur Verfügung, mit dem Rest werden das Landesmuseum Joanneum und das Trigonprojekt unterstützt. Ein Teilerfolg für die steirische IG-Kultur, die aber nach wie vor auf die Auszahlung eines an die Höhe des Landesbudgets gebundenen Beitrages im Ausmaß von 0,75 Promille pocht.

Die IG Kultur leistet nicht nur in finanziellen Belangen Schützenhilfe, sondern wird auch - zumindest in der Steiermark - politisch ernst genommen. »Unsere Szene ist allerdings nicht von Intoleranz und Unkenntnis geplagt«, so der Obmann. Die IG Steiermark hat Vorschläge für das neu zu beschließende Kulturförderungsgesetz untergebracht, etwa, daß die Verknüpfung von verschiedenen Bereichen wie Kulturarbeit, -vermittlung und -forschung dringend nötig ist. Um soweit zu kommen, war hartnäckiges Arbeiten angsagt, denn die politischen Klubs mußten davon erst überzeugt werden. Werner Wolf bezeichnet das herrschende Arbeitsklima als »interessant«, gesteht aber ein, daß die Situation permanente Interventionsbereitschaft erfordert, und »außerdem mußten wir aufpassen, uns nicht durch die Kooperationsbereitschaft der Politiker einlullen zu lassen.«

Um die Sache der Kultur und ihrer Institutionen in Zukunft noch besser vertreten zu können, plant Wolf eine Reform der Struktur der IG Österreich. Momentan ist die IG eine bundesweite Initiative, die von den Mitgliedsbetrieben und Initiativen in den Ländern getragen wird. Ein ehrenamtlich arbeitender Sechser-Vorstand leitet die Geschicke. Doch das hierarchische Modell, so meint Wolf, hat ausgedient. Zukünftig könnten gewählte Vertreter der Landesverbände einen erweiterten Bundesvorstand bilden. Vier Vertreter-Innen der Kulturinitiativen sollen auf zwei Jahre zu einem operativen Vorstand gewählt werden. Der erweiterte Bundes-Vorstand soll sich einige Male pro Jahr treffen und grundsätzliche, kultur- und interessenspolitische Fragen diskutieren. Dieses Modell, so hofft der derzeitige Obmann, verschaffe dem Vorstand eine größere Legitimation, sich in prinzipiellen Fragen namens der IG Kultur zu äußern und entsprechend zu agieren. Im Zuge dieser Struktur-Reform plant Wolf auch eine auf alle Länderorganisationen bezogene Finanzierungsreform, damit diese ihre Arbeit abgesichert und auch finanziell anerkannt durchführen können. So hofft er, den Bund zu einer erstmaligen Mitfinanzierung zu motivieren. Sein Plan: Ein »degressives« Finanzierungsmodell soll, nach einem festgelegten Schlüssel, eine Startförderung über die ersten drei Jahre garantieren. Im ersten Jahr sollen der Bund zwei Drittel und das Arbeitsmarktservice ein Drittel der Struktur-Kosten tragen. Im zweiten Jahr sieht dieses Modell eine Drittelung zwischen Bund, Ländern und AMS vor, und im dritten Jahr sollten an Stelle der AMS die Gemeinden einen Drittelanteil der Kosten tragen.

Ab dem vierten Jahr soll der Bund dann aus dieser Startförderung entlassen sein. Die Länderstrukturen könnten danach von den Ländern und Gemeinden getragen werden.

Ziel dieses Modells ist, daß die Finanzierung der Landesorganisationen über Verträge mit Bund und Ländern bzw. Gemeinden gesichert ist. Ab Herbst will Werner Wolf dieses Modell gemeinsam mit der Abteilung III/8 der Kunstsektion ernsthaft durchrechnen. Als gewichtigstes Argument für diese Lösung führt der IG-Obmann den Spar-effekt für die Verwaltungen an. Eine Stunde kulturpolitische Basisarbeit kostet derzeit bei den verschiedenen Trägerorganisationen rund 120 Schilling, die gleiche Arbeit in der Verwaltung rund das Dreifache.