september 1996

Thomas Neuhold

Werkverträge: Spätes Erwachen

Kaum in Kraft, soll der Jahrhundert-Pfusch schon wieder novelliert werden

Wenn diese Ausgabe des »kunstfehler« die Briefkästen der geneigten LeserInnenschaft erreicht hat, dann haben wohl die meisten schon ihren persönlichen Lösungsweg aus dem Werkvertragsdilemma gefunden. Insbesondere die »echten« FreiberuflerInnen - also solche, die ausschließlich in Eigenverantwortung arbeiten und nicht neben einer Anstellung irgendwo einen Werkvertrag zusätzlich abgeschlossen haben - mußten auf die staatliche Existenzbedrohung reagieren: Da wurde etwa die Möglichkeit einer Firmengründung genutzt oder auch eine Pflichtversicherung abgeschlossen.

Aber auch die Unternehmen flüchten mit teils abenteuerlichen Konstruktionen vor der Verteuerung der Arbeitskräfte. Der »Standard« weiß von einem Transportunternehmer zu berichten, der aufgrund der Werkvertragsregelung seine Verträge nunmehr über eine von ihm im Ausland gegründete Personalleasingfirma abschließt. Architektenbüros oder Software-Betriebe verlegen ihren Firmensitz nach Budapest oder Bratislava. Gerüchteweise ist auch zu hören, daß die Mediaprint, die ja eine Ausnahmeregelung für die Kolporteure geschenkt bekommen hat, nach Konstruktionen sucht, wie alle freien MitarbeiterInnen als ZeitungsausträgerInnen eingestuft werden können. Dies könnte übrigens am Verwaltungsgerichtshof, der vor der Mediaprint offensichtlich weniger Schiß hat als Kanzler Vranitzky, scheitern. Nach einer Erkenntnis des Gerichts sind nämlich die wandelnden Litfaßsäulen als Dienstnehmer und nicht als Werkvertragler einzustufen.

Aber zurück zur Causa Prima: Was für ein Topfen die Werkvertragssteuer ist, kann nicht zuletzt an den politischen Reaktionen abgelesen werden. Die FPÖ hat ebenso von Anbeginn an gegen die »Schwachsinnsregelung« (NAbg. Böhacker) opponiert wie die Grünen und das Liberale Forum. Gerade das Forum betreibt in Wien mit dem Aufruf zum zivilen Ungehorsam und zum bürokratischen Boykott einen recht effizienten Wahlkampf für die Gemeindratswahlen im Oktober.

Und bei SPÖ und ÖVP? Da will's plötzlich niemand gewesen sein. Finanzminister Viktor Klima lehnt die »Vaterschaft« strikt ab. Dafür wären die »Sozialbastler« zuständig, so der SPÖ-Politiker. Was für ein Wort aus dem Mund eines Sozialdemokraten! Und außerdem kenne er sich bei den Werkverträgen auch nicht aus, so Klima weiter. Was für ein Wort aus dem Mund eines Finanzministers!

Apropos »Sozialbastler«: Auch SPÖ-Sozialexperte Walter Guggenberger ging auf Distanz: Er nennt die Regelung schlicht einen »Holler« und will noch bis Jahresfrist eine Novellierung. Und selbst die AK, die in ihrer unnachahmlichen Praxisferne das Gesetz noch bis Mitte August verteidigt hatte, mußte eingestehen, daß »neue Ungerechtigkeiten geschaffen wurden«. Vor allem bei »Leuten, die ihre Existenz durch Miniatureinkommen erst gesichert haben«, sei das Gesetz »dringend reparaturbedürftig«, zitiert »profil« den Werkvertragsexperten der Wiener AK, Christoph Klein.

VP-Chef Wolfgang Schüssel distanzierte sich schon zehn Tage nach In- krafttreten des Gesetzes von der Regierungsvorlage: »Praxisfremd«, »Schönheitsfehler«, »abschaffen«, »...wird nicht Bestand haben«, so der Vizekanzler. Und nicht zuletzt einer der heimlichen Herrscher in der VP, Wirtschaftskammer-Generalsekretär Günter Stummvoll. Er, der übrigens als Abgeordneter den Beschluß mitgetragen hatte, forderte, daß die Regelung umgehend wieder auf den Müll gehöre. Wie und bis wann der bis dahin angerichtete Schaden am Arbeitsmarkt wieder repariert werden soll, weiß aber auch er nicht.

Wer bleibt dann noch? Ach ja, Sozialminister Franz Hums! Er verteidigt die Werkvertragssteuer nicht nur, für ihn ist sie ohnehin nur ein erster Schritt hin zu einer allgemeinen Sozialversicherungspflicht in einem einheitlichen Sozialversicherungssystem. Hums plant, daß alle Einkommen aus der Erwerbstätigkeit, egal woher diese kommen, in einem einheitlichen System sozialversicherungspflichtig werden. Das mag grundsätzlich schon Positives an sich haben, aber aus dem Mund von Hums, dessen politisches, soziales und praktisches Verständnis offensichtlich nicht über die Satzungen der Eisenbahnergewerkschaft hinausreicht, klingt es wie eine gefährliche Drohung.