september 1996

Thomas Neuhold
leitartikel

Des Volkes Wille

Die LeserInnen ab 30 mögen sich vielleicht noch erinnern: Zu Zeiten als die KPÖ in der österreichischen Politik noch eine, wenn auch kleine, Rolle spielte, wurde von ihr das Zentralorgan »Volksstimme« als Tageszeitung herausgegeben. Aus regionalen Traditionen heraus hieß die »Volksstimme« in Oberösterreich »Neue Zeit«, in der Steiermark »Wahrheit« und in Kärnten gar »Volkswille«. Des Volkes Wille! Welch ein Titel für ein kommunistisches Blatt in Österreich.

Wenn sich eine Zeitung hierzulande diesen Namen verdient hätte, dann die »Neue Kronen Zeitung«. Seit Jahrzehnten steht sie in der Gunst der LeserInnen unangefochten an der Spitze. Nicht einmal die Regionalkonkurrenz wie »Tiroler Tageszeitung«, »Salzburger Nachrichten« oder »Kleine Zeitung« kann ihr in den Bundesländern ernsthaft gefährlich werden. Der Erfolg der »Krone« ist ein Stück Volksabstimmung: Tag für Tag wird sie von einer deutlichen Mehrheit gelesen, und was noch wichtiger ist, sie wird gekauft. Im Unterschied zum Kreuzerl in der Wahlzelle kostet diese Willensäußerung sogar etwas. Der »Krone«-Klientel ist ihre Willensäußerung täglich acht Schilling wert.

Natürlich haben zur wirtschaftlichen und medialen Vormachtstellung der »Krone« auch externe Faktoren wie staatliche Subventionen, rechtliche Rahmenbedingungen für die »Krokuwaz«-Konstruktion, die enge Verschmelzung zwischen Teilen der herrschenden Nomenklatur - von Helmut Zilk bis Franz Schausberger - und »Krone« beigetragen. Man kann es aber letztlich drehen und wenden, wie man will. Verantwortlich für die Dominanz des Kleinformats ist vor allem des Volkes Wille! Marktwirtschaftlich wird dieser durch das Abo oder den Kauf manifest. Es ist aber auch davon auszugehen, daß eine deutliche Mehrheit den politischen Kurs der »Krone« mit-trägt. Das gilt für Titelgeschichten wie »Mehr Rechte für unsere Polizei!« (Samstag, 10. August 1996) ebenso wie für Kampagnen gegen Hainburg oder Lambach und nicht zuletzt für die Minderheitenfeindlichkeit aller Prägungen.

So schwer das Eingeständnis auch fallen mag: Die »Krone« ist ein Stück realer Volksherrschaft in diesem Land. Aber genau da liegt der sprichwörtliche Hund begraben. Selbst in einem konservativ-bürgerlichen Verständnis von Demokratie spielen Pluralismus und der Schutz von Minderheitsmeinungen gegenüber den Beschlüssen von Mehrheiten eine zentrale Rolle. Die Versäumnisse der heimischen Medienpolitik sind hier unübersehbar. Das be- ginnt bei den Parteien, die ihre eigenen Zeitungen am Altar der Wirtschaftlichkeit geopfert haben, und reicht von einem völlig unzureichenden Presseförderungssystem über ein demokratiegefährdendes Kartellrecht bis hin zu einer unerträglichen medial-populistischen Geiselhaft, in die sich Teile der heimischen Politik begeben haben.

Selbst bürgerliche Demokratie - und Pressefreiheit als Teil davon - ist mehr als die reine Diktatur des Marktes und eines noch so großen Mehrheitswillens. Zu ihr gehört auch, daß zumindest die Möglichkeit auszuwählen garantiert bleibt. Um es ganz deutlich zu sagen: Dem Autor dieser Zeilen liegt nicht allzuviel am Kurs, den die Salzburger VP-Parteizeitung »SVZ« umzusetzen hat. Dennoch ist es von entscheidender Bedeutung, daß es weiterhin die Möglichkeit gibt, diese Zeitung zu lesen und ihre Aussagen mit denen anderer Medien »gegenzulesen«.

Auch wenn sich die Mehrheit für das »Kleinformat« entschieden hat und immer wieder entscheiden wird, die Überwindung kartellrechtlich bedingter Wettbewerbsvorteile sowie eine politische, gesellschaftliche und ökonomische Offensive zur Wiederbelebung der Medienvielfalt sind dringende Gebote zur Demokratisierung unserer Gesellschaft. Das Medienvolksbegehren kann - bei all seinen Schwächen - einen Teil dazu beitragen.