september 1996

Thomas Neuhold
titel

Medien-Begehrlichkeiten

Das Medienvolksbegehren: Spät, schwach formuliert, aber notwendig

Leute, Volksbegehrenszeit ist! Voraussichtlich nach dem kleinen Wahlsonntag am 13. Oktober - EU und Wiener Gemeinderat - werden wir wieder einmal um unsere Unterschrift gefragt. Geht es nach dem Wunsch von Jörg Haider, begehrt das Volk erneut in Sachen Politikerbezüge auf. Geschenkt!

Wesentlich spannender, aber medial ungleich weniger präsent ist das von der Journalistengewerkschaft ins Leben gerufene Medienvolksbegehren. Unter dem Titel »SOS-Medienfreiheit« soll sich der Nationalrat - vorausgesetzt die Unterstützungen erreichen die 100.000er-Marke - mit einem neuen Medien-Kartellrecht und der Unabhängigkeit des ORF beschäftigen.

Knackpunkte sind dabei einerseits die geplante Umwandlung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in eine Aktiengesellschaft und natürlich das Geschwür »Mediaprint« und »KroKuWaz«. Mit der ORF-AG, in der politische Parteien die Aufsichtsräte stellen, würde die politische Gängelung des ORF weiter zunehmen; der Zusammenschluß der größten heimischen Medienunternehmungen unter dem Dach der »Mediaprint« habe demokratiegefährdende Ausmaße erreicht, so - sehr kurz gefaßt - die Diagnose der Initiatoren.

Wie siech der Staat Österreich in Sachen Medien ist, zeigt etwa der Skandal um die Kolporteure, die auf Betreiben von Hans Dichand von der Sozialversicherungspflicht für Werkverträge »befreit« worden sind. Ebenso deutliches Zeichen an der Wand ist die Kündigung von »profil«-Herausgeber Hubertus Czernin oder der Kniefall des Salzburger Landeshauptmannes Franz Schausberger vor der »Krone« in Sachen Großarler Deponie.

Obwohl Medien üblicherweise über nichts lieber berichten als über sich selbst, will rund um das Medienvolksbegehren keine rechte Berichterstattung aufkommen. Die Gründe liegen auf der Hand und zeigen einmal mehr die unerträgliche Konzentration: Alle vom Inhalt des Volksbegehrens Betroffenen haben gemeinsam ein überwältigendes Monopol. Allein der »Standard« und der »Falter« - beide fechten seit Jahren erbitterte rechtliche wie publizistische Sträuße mit der »Mediaprint« aus - geben publizistische Rückendeckung. Selbst der ORF - eigentlich zur objektiven Berichterstattung gesetzlich verpflichtet - schweigt sich aus.

Die Parlamentsparteien verhalten sich spiegelbildlich. Der freiheitliche Mediensprecher Walter Meischberger springt gleich für die »Krone« in die Bresche. Für ihn ist die »Mediaprint« eine »gescheite« Lösung. SPÖ und ÖVP - ohnehin entweder in der Knechtschaft der »Mediaprint« oder an den Schalthebeln im ORF - bemühen das Motto »net amol ignorieren«. Bleiben Liberale, Grüne und eine Reihe Unabhängiger, die sich für die Inhalte des Begehrens stark machen.

Aber selbst aus den Reihen der UnterstützerInnen kommt Kritik an der Volksbegehrensinitiative. Kann der Einwand, eine derartige Aktion hätte schon vor zehn Jahren kommen müssen, noch mit einem »besser jetzt als nie« entkräftet werden, so tun sich die Gewerkschaftsfunktionäre von »SOS-Medienfreiheit« insbesondere mit ihrer eigenen ORF-Formulierung schwer. Das Branchenmagazin »Journalist« schreibt: »Die verwaschene Passsage zum ORF scheint aus der Schreibstube der Hofräte Hinsichtl und Rücksichtl zu stammen. Der Rundfunk soll ðsowohl vor dem Ausverkauf als auch vor dem Zugriff der Parteien geschütztÐ werden und Rechtsformen, die das ermöglichen, ðsind abzulehnenÐ.« Im Klartext: Beim ORF soll das Volk begehren, daß alles bleibt, wie's ist. Na Bravo!

Aber auch in Sachen »Mediaprint« kommt das Begehren inhaltlich ganz gewaltig ins Rudern. Auf welch dünnem Eis man sich da bewegt, macht der oberste Journalistengewerkschafter selbst deutlich. Auf die Frage, wie denn die Entflechtung der Mediaprint eigentlich funktionieren solle, meinte Franz C. Bauer gegenüber dem »Journalist«: »Es ist schwierig zu erklären, was man eigentlich will.«

Was Teile der schreibenden Gewerkschafter nicht wollen, ist schnell erklärt: Der Vorstand der Salzburger Journalistengewerkschaft jedenfalls hat per Beschluß festgehalten, man wolle kein Volksbegehren. Offizielle Begründung: Eine Minderheitenfeststellung wäre »kontraproduktiv«. Daß Mediaprint- und ORF Mitarbeiter in diesem Gremium die Hälfte der Stimmberechtigten stellen, sei der Vollständigkeit halber erwähnt.

Auch »die Kleinen« will man offensichtlich nicht: Mit den Kommunikationsmitteln von Kultur- und Sozial- initiativen, mit einem Presseförder- ungssystem für kleine und mittlere Medien, hat sich niemand beschäftigt. Vorerst bleibt es also bei einem Volksbegehren, das sich allein der Rückführung in den Zustand vor der »Mediaprint«-Gründung widmet.