september 1996

an uns

LeserInnenbriefe

Die unendliche Geschichte

mit Bob Dylan

14.6. Wie alles begann

Anläßlich eines Einkaufsbummels sah ich unglücklicherweise das Kartenbüro Dr. Berer in der Getreidegasse in Salzburg. Leider konnte ich dem Drang nicht widerstehen, um eine Karte für das bevorstehende Konzert meines langjährigen Freundes Bob Dylan vorstellig zu werden. Da das Konzert schon lange ausverkauft war, war ich überglücklich, von der charmanten Mittvierzigerin im Kartenbüro doch noch eine Stehplatzkarte zum stolzen Preis von 365 Schilling ausgehändigt zu bekommen.

9.7. Am Boden zerstört

Der Tag war gekommen, heute sollte mein bester Freund, Bob Dylan, endlich das erste Mal für mich live singen. Um Punkt 15 Uhr 30 fand mein schöner Traum ein jähes Ende. Ein Freund rief mich an, das Konzert fände in der Sporthalle Alpenstraße statt und Stehplatzkartenbesitzer hätten dort aus Platzgründen keinen Zutritt. Ein Rückruf in der SZENE SALZBURG brachte die traurige Gewißheit. Meinen Einwand, das Ticket für das Konzert am Domplatz trüge den Vermerk »Open Air - Bei jedem Wetter«, ließ die Dame am Telefon nicht gelten, und im übrigen bekäme ich ja den Kaufpreis rückerstattet.

15.7. Das gibt’s doch gar nicht

Ein Freund, der an diesem Abend eine Veranstaltung der SZENE besuchte, erklärte sich bereit, mir die Fahrt nach Salzburg zu ersparen und die Karte zurückzugeben. Die Dame an der Kasse sah sich jedoch außerstande, dem Begehr stattzugeben, denn die Karte besäße keinen Stempel der SZENE, und für die Rückerstattung des Kaufpreises sei nur der ursprüngliche Verkäufer zuständig.

22.7. Der Tragödie letzter Teil

Das Konzert des weltberühmten Borodin-Quartett, gottseidank keine SZENE-Veranstaltung, ließ mich nach Salzburg fahren. Zuvor wollte ich jedoch die leidige Geschichte mit meinem Freund Bob Dylan zu einem Ende bringen und begab mich nichtsahnend zum Ticket Office Dr. Berer. Man bedauerte, die Karte sei offensichtlich nicht bei ihnen gekauft, und verwies auf das fehlende Pickerl, und außerdem, so die Siebzigjährige mit dem sensationellen fotografischen Gedächtnis, könnte sie sich nicht an mich erinnern. Mein Einwand, daß nicht sie, sondern eine andere... und das mit dem Pickerl, mit dem der ursprüngliche Vorverkaufspreis von 320.- Schilling überklebt war und auf dem nur der neue Preis von 365.- Schilling handschriftlich angegeben war, sei meiner tolpatschigen Neugier zuzuschreiben, ließ Frau Mastermind nur die Achseln zucken. Ich könnte ja versuchen, das Pickerl wiederzufinden, gab mir die Dame noch eins mit auf den Weg. Mit Schostakowitsch und Brahms konnte ich an diesem Abend nichts anfangen, zu sehr beschäftigte mich mein alter Freund Bob Dylan.

Wolfgang Größwang

4873 Frankenburg