oktober 1996

Didi Neidhart
gelesen

Relevanz und gesellschaftliche Funktionen der freien Kulturarbeit

Gerald Raunig (Hrsg.) / (IG Kultur Österreich, 1996)

Im November letzten Jahres fand unter diesem Titel im Wiener Funkhaus ein von der IG- Kultur Österreich veranstaltetes, interdisziplinäres Symposion statt, das nun in Buchform die Beiträge der einzelnen ReferentInnen präsentiert. Schon die klug konzipierte Auswahl der TeilnehmerInnen läßt wenig Langeweile aufkommen und erspart uns dadurch großteils das Wiederkäuen hinglänglich bekannter Allgemeinplätze. Viel eher entwickelt sich zwischen den eher praxisorientierten und den mehr von der Theorie herkommenden AutorInnen ein spannender Diskurs über Begriffe wie Autonomie, Soziokultur, freie Kultur, neue kulturelle Sektoren, regionale Kulturarbeit, Stadtteilkultur, Multikulturalismus, Gemeindekultur, Kultursponsoring, Jugendkultur, Cultural Studies, Geschlechterdifferenz, Öffentlichkeitsarbeit und Kulturpädagogik.

Wobei als durchgehender Grundtenor sowohl kritische Selbstreflexionen als auch die Revidierung wie Neuorientierung von sozio-politischen Positionen innerhalb der freien/autonomen Kulturbereiche und Initiativen festzustellen sind.

In Zeiten, wo sich porschefahrende Kulturkämpfer als Arbeiterpartei sehen und tabubruchgeile Intellektuelle wegen des geistigen Nervenkitzels auch ein bißchen mitausmisten wollen, ist gerade in den Bereichen der freien Kulturarbeit ein Wille zur Diskussion und Auseinandersetzung mit den eigenen Versäumnissen und Möglichkeiten unumgänglich, zumal sich Kulturarbeit nicht selten durch eine unglückliche Mixtur aus Praxisferne und Theoriefeindlichkeit das eine oder andere Bein selbst stellt. Will man bei den geänderten sozialen, ökonomischen und politischen Realitäten nicht als Wahlkampfthema unter die Räder kommen (noch zum bunten und etwas ausgeflippten staatlich tolerierten kulturpolitischen Herzeigebiotop verkommen), sondern als politische Kraft wahrgenommen werden und handlungsfähig sein, sind Diskussionen wie jene in dem vorgestellten Buch unumgänglich.