oktober 1996

Harald Friedl
gelesen

Margit Hahn »Entgleisungen«.

Phasetten 17, Wiener Frauenverlag, 1996. 64 S, ÖS 148.-

»Entgleisungen« heißt der neueste, der dritte Erzählband von Margit Hahn. Nach »Einsamkeit der Lust« (1992) und »Die kleinen Fallen der Lust« (1994) hat die Autorin ihr erotisches Geschehen in Bahnwaggons verlegt.

Die neuen Geschichten sind noch komplexer und phantastischer. Manchmal streifen ihre Figuren die Membrane des Wahnsinns. Für die Erzählungen ist das atmosphärisch und an Spannung ein Gewinn! Was im wesentlichen geblieben ist: der abenteuerlustige, narzißtische, oft kalte, geile Blick der Protagonistin.

Margit Hahns Frauenfiguren gehen mit einem hoch erotisierten Sensorium durchs Leben. Laufend werden Objekte und Anlässe ergriffen, die Lust zu wecken.

»Von wegen die Männer sind geil.« Margit Hahns Männerfiguren besitzen das dauer-erotisierte Sensorium zwar auch, aber es ist stumpfer. Sie ertragen eine Haltung der Frauen nicht, die sie selbst zum Objekt weiblicher Begierde macht. Lieber verspritzt der Mitfahrer, die Frau im Abteil phantasierend, seinen Samen am Zugsklo als der leibhaftigen Person seine Avancen zu machen. Als sie »rangeht«, weist er sie brüsk zurück. Anna Mitgutsch schreibt im Nachwort: »Den Frauen hilft auch hier ihre Distanz und Illusionslosigkeit und der schwarze Humor, der immer schon auffallendstes Markenzeichen der Autorin war.«

Bei einer Veranstaltung des Literaturhauses Eizenbergerhof am 12. September las Margit Hahn im Gesellschaftswagen der ÖBB (Akkordeon Michaela Dietl). Die Fahrt ging von Salzburg nach Attnang Puchheim und zurück. Auf die Frage, wie sehr ihr das Schreiben dieser Geschichten Spaß mache, antwortet sie beim folgenden Lokalbesuch: »Sehr! Ich schreibe nur, wenn ich gut aufgelegt bin. Ich setze mich auf den Balkon mit meinem Laptop und schaue hinaus in eine Landschaftsidylle. Ich muß mich nicht quälen beim Schreiben und kenne keine Tabus. Beim Lesen vor Publikum dann eher schon.« Diese Spielfreude ist an den Texten fühlbar, und man kann selbst über ihre Abgefeimtheit und Grausamkeit, die bis hin zum Mord geht, lachen.

Margit Hahns Geschichten kommen vom 3. bis 16. Oktober auf die große Bühne des WUK in Wien. Die Prosatexte werden von Regisseurin Eva Brenner als Grundlage für ein »surreales Theater-Event« verwendet - eine choreografische Raumkomposition für vier Stimmen, eine Popsängerin und moderne E-Musik«. Da die ersten beiden Bücher von Margit Hahn vergriffen sind, bringt sie der Wiener Frauenverlag Ende Oktober als »Margit Hahn Lesebuch« neu heraus.