oktober 1996

Ursula Rotter

»Das Geld ist versickert«

Die Salzburger Kinderfreunde sind gerettet - aber für wie lange?

Eltern und BetreuerInnen von Kinderfreunde-Einrichtungen (Kinderbetreuung, betreutes Wohnen, mobile Betreuung) erleben es jedes Jahr. Das Zittern, ob der Betrieb auch über den 31. Dezember hinaus gesichert ist. Und die Erleichterung, wenn es doch wieder heißt, die Landesregierung und/oder die SPÖ tragen den Abgang. Auch heuer lief die Gerüchteküche wieder auf Hochbetrieb: Von der Schließung einzelner Einrichtungen bis hin zum drohenden Konkurs war alles zu hören. Zusätzliche Unsicherheit brachte der von den Freiheitlichen initiierte Kontrollamtsbericht der Stadt Salzburg. Darin finden sich Vorwürfe an die Kinderfreunde, die nicht von schlechten Eltern sind: Überdimensionierte Computeranlage, überhöhte Gehälter, aufgeblähte Verwaltung, unüblich hohe Mieten - und ein Schuldenberg von rund 9,4 Millionen Schilling Ende 1995. Und das bei Förderungen von 46,8 Millionen durch Stadt, Land und Bund. Und 12 Millionen Zuschuß durch Bundeskinderfreunde und SPÖ, um den Abgang für 1995 zu decken.

Natürlich ist es unbestritten, daß die Kinderfreunde wichtige gesellschaftspolitische Einrichtungen und Aufgaben übernommen haben, die, wie die SP-Klubobfrau Gaby Burgstaller bemerkt, »eigentlich von der öffentlichen Hand geführt werden sollten«. Nichtsdestotrotz sollte auch ein Verein betriebswirtschaftlich geführt werden. Das heißt, vereinfacht ausgedrückt, Ausgaben und Einnahmen sollten sich die Waage halten. Und genau das haben die Salzburger Kinderfreunde offenbar jahrelang verabsäumt. Wolfgang Radlegger, wegen des WEB-Skandals zurückgetretener ehemaliger »roter« Spitzenpolitiker, der jetzige Kinderfreunde-Obmann und im Brotberuf Wüstenrot-Direktor, berichtet - ohne allerdings Namen nennen zu wollen - von »bilanzkosmetischen Operationen«, in denen »die Situation der Kinderfreunde freundlicher gestaltet worden ist, als sie tatsächlich gewesen ist.« Auch dem Vorstand, dem Radlegger bereits unter dem »Ehrenvorsitzenden« Herbert Fartacek seit 1993 angehört, wurde die Situation geschönt dargelegt. Dem jetzigen Grundsatz des »Geldmenschen« Radlegger »was nicht zu erwirtschaften ist, kann auch nicht geführt werden« wurde bis zum endgültigen Sturz Herbert Fartaceks im Mai 1995 offenbar nicht entsprochen. »Das Geld ist versickert!«, so der nun deutlicher werdende Obmann. Und das, weil »Herbert Fartacek die Kinderfreunde zunehmend als persönliche Geschäftsgrundlage betrachtet hat.« Zur Bekräftigung berichtet Radlegger von »Schmierzetteln, aufgrund derer 100.000 Schilling und mehr für irgendwelche obskuren Filme gezahlt wurden«.

Der bis zu seinem Ausscheiden aus der SPÖ 1992 als Obmann agierende Herbert Fartacek nimmt sämtliche Vorwürfe des Kontrollamts (die sich teilweise mit denen Radleggers decken) relativ gelassen hin und verweist auf die 16 seitige Stellungnahme durch seinen Anwalt Dr. Rudolf Zitta, der die Prüfungstätigkeit des Kontrollamts als »grob fehlerhaft, oberflächlich, voreingenommen und tendenziös« bezeichnet, und argumentiert - erstaunlich schnell sämtliche Zahlen und Daten herunterratternd - , stets im Interesse der 1910 gegründeten Kinderfreunde gehandelt zu haben: »Für die Kinder kämpft man und tritt dafür ein.« Kein einziges böses Wort verliert er im kunstfehler-Gespräch über die neue Führung, er fände es nur eigenartig, daß Veichtlbauer&Co beim Auftreten der finanziellen Fragen sich nicht an ihn gewandt haben.

Interessanterweise wehrt sich der amtierende Obmann Radlegger »dagegen, daß einem ehrenamtlichen Mitglied über Gebühr Vorwürfe gemacht werden«, habe doch noch im April 1995 ein beeideter Wirtschaftstreuhänder, ausgeschickt von der Wiener Zentrale, die Lage als ernst, aber nicht unlösbar bezeichnet. Vielleicht weil, wie Radlegger ausführt, »an den Fehlentwicklungen maßgebliche Funktionäre der Salzburger Kinderfreunde selber schuld waren«. Und damit auch er? Denn im Vereinsrecht ist immerhin verankert, daß der Vorstand in jedem einzelnen Fall jedes Detail prüfen müßte. Was in der Praxis allerdings kaum geschieht. Auch nicht bei den Kinderfreunden, deren Vorstand, so die Geschäftsführerin Ricky Veichtlbauer, »Budgets vorgelegt worden sind, wo einnahmenseitig Posten drinnen waren, die weder ausverhandelt noch angefordert waren«.

Einig in der Beurteilung der Misere der Kinderfreunde sind sich ehemaliger und amtierender Obmann erstaunlicherweise bei der Zahlungsmoral der Subventionsgeber. Die unregelmäßigen Zahlungen hätten Zwischenfinanzierungskredite zum Abdecken der Löhne und der Sachaufwendungen notwendig gemacht, und die dadurch angefallen Zinsen hätten das Budget nicht unerheblich belastet. Derzeit wird versucht, mit den Financiers ein günstigeres Handling zu vereinbaren. Darüber hinaus haben Vorstand und Geschäftsführung den üppigen Verwaltungsapparat zurückgestutzt (und damit, laut eigener Aussage, »Millionen« eingespart), die »Spielzeugschachtel« verkauft und den meisten MitarbeiterInnen der Krabbelstuben Änderungskündigungen persönlich in die Hand gedrückt. Diese Verträge, die die BetreuerInnen kündigen und - bei Unterzeichnung - zu einem geringeren Betrag wieder einstellen, sind vor allem bei den Eltern auf wenig Gegenliebe gestoßen. Fürchten sie doch zu Recht, daß bewährte und von den Kindern geliebte Kräfte bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit einen anderen, weil besser bezahlten Job annehmen werden. Die frei werdenden Posten würden dann mit »frischg'fangten«, billigen AbsolventInnen der Kindergartenschule nachbesetzt. Die Kinder wären gezwungen, sich an neue Bezugspersonen zu gewöhnen. Kein leichtes Unterfangen bei Zwergen ab einem Jahr. Von den pädagogischen Veränderungen ganz zu schweigen. Andererseits wurde durch diese Vorgangsweise (die niedrigere Einstufung) erstmals die komplette Zahlung der Löhne durch das Land gesichert. Auch beim wohl schwierigsten Punkt, den überhöhten Mieten, hofft die Führungsetage auf bessere Konditionen. Angeblich stehen die Sterne günstig, um den Vermietern - unter Hinweis auf die langfristigen Verträge und bereits durchgeführte, teils millionenteure Umbauten - für die Krabbelstuben »Villa Kunterbunt« und »Wartelstein Groß&Klein« weniger zu bezahlen.

Alles in allem ein recht passables Ergebnis, wenn man bedenkt, daß noch im Frühjahr dieses Jahres der Gang zum Konkursrichter nicht unwahrscheinlich war. Fragt sich nur, ob die von allen Seiten anerkannten pädagogischen Leistungen und vor allem die Motivation der MitarbeiterInnen, die immerhin nerven- und kräfteraubende Tätigkeiten haben, die Sanierungsmaßnahmen auch überstehen.