oktober 1996

Verena Fabris

DIE G’STUDIERTEN GEHEN STEMPELN

Auch für AkademikerInnen wird der Salzburger Arbeitsmarkt zunehmend eng - ein »kunstfehler« Arbeitsmarktreport

Mit Stichtag 31. August 1996 waren beim Salzburger Arbeitsmarktservice (AMS), wie das Arbeitsamt jetzt heißt, 314 AkademikerInnen arbeitslos gemeldet. Die Zahl mag auf den ersten Blick nicht besonders besorg-niserregend wirken, 314 sind, wenn man die akademische »Meldedisziplin« miteinkalkuliert, allerdings eine ganze Menge. Erwin Buchinger, Landeschef des AMS, schätzt, daß sich ein Drittel »allerhöchstens 50 Prozent« der jobsuchenden Menschen, die ihren Namen mit »Dr.« oder »Mag.« schmücken, beim AMS registrieren lassen. Viele UniversitätsabsolventInnen tun sich den Weg in die Auerspergstraße unmittelbar nach Studienabschluß erst gar nicht an, da sie ohnehin keinen Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung haben. Dies gelte insbesondere für die LehrerInnen, die auf ihr Probejahr warten. Zudem laufe die Jobsuche bei den Höherqualifizierten traditionell »mündlich« und - allerdings seltener - über Personalberatungsfirmen.

Auch wenn die Zahlen der ArbeitsmarktstatistikerInnen wenig über den absoluten Ist-Stand am Salzburger Arbeitsmarkt sagen, so sind die strukturellen Schwächen dennoch deutlich ablesbar. Als besonderes »Problemstudium« erweist sich demnach Jus. Die JuristInnen führen die Liste der arbeitslos Gemeldeten mit 59 Fällen an, Tendenz stark steigend. Gerade für die JuristInnen bleibt es auch in Zukunft zappenduster: Bei ihnen machen sich Sparpaket und Einstellungsstop bei den öffentlichen Stellen am stärksten bemerkbar. »Es fällt mir schwer, es einzugestehen, aber im Moment produziere ich Arbeitslose«, formuliert ein Professor der rechtswissenschaftlichen Fakultät drastisch. Was nicht heißt, daß andere verschont bleiben; immerhin arbeiten zwei Drittel aller AkademikerInnen hierzulande im öffentlichen (Gebietskörperschaften, Schulen und Spitäler) oder im halböffentlichen Bereich (Banken, Kammern oder Energieversorgungsunternehmen).

Die Rechtswissenschaften waren einmal ein ebenso sicherer Tip wie Wirtschaftsstudien, Technik, viele naturwissenschaftliche Fächer oder auch Architektur. »Alles vorbei«, sagt Buchinger. Das AMS hat eine Reihe beschäftigungsloser Betriebswirte, Elektroniker, Architekten und sogar Maschinenbauer. Ja selbst der hochgejubelte Computer- und EDV-Markt »hat stark zyklische Einbrüche«, erzählt Buchinger. Dazu kommt noch, daß oft eine akademische Vorbildung nicht gefragt ist. »Besonders in Medienberufen sind sehr viele Nicht-akademikerInnen tätig, die besser und erfolgreicher sind als Leute, die frisch von der Uni kommen«, bestätigt auch die Publizistin Karin Bayr ihre Erfahrungen bei der Jobsuche.

Fazit aus Sicht des AMS-Landesgeschäftsführers: »Alle Ratschläge der letzten Jahre haben ihre Bedeutung verloren, es gibt keine problemlosen Studien mehr. Wie bei anderen auch, wird die Arbeitslosigkeit zum normalen Bestand der Berufsbiographie.« Für Buchinger ist jede arbeitsmarkt-orientierte Studienempfehlung »nicht seriös«, da niemand den Beschäftigungsstand in sieben Jahren voraussagen könne.

Daß sich die Situation für AkademikerInnen radikal verschlechtert hat, läßt sich am AMS selbst ablesen. Neuerdings werden sogar »Orientierungskurse« angeboten, deren Ziel dem universitären Ausbildungsangebot nicht gerade schmeichelt: »Neuorientierung, die dem Arbeitsmarkt angepaßt ist.« Die mangelhafte universitäre Bildung und Ausbildung ist ein bildungspolitisches Problem: Im Vordergrund stehe eine sehr strenge Pflichterfüllung, »die durch die aktuellen Sparmaßnahmen noch verstärkt wird«, resümiert die Publizistin Ulrike Frank ihre Uni-Zeit. Es sei »der Zwang, auf Zeit zu studieren«, der die Entwicklung praxisnaher Projekte verhindere, so Frank.

Das AMS kann hier kaum Abhilfe schaffen: Viel mehr als Orientierung, Beratung und Motivation kann man nicht bieten. In der AkademikerInnenberatung des AMS sind die Jobs nicht gerade dicht gesät. Hier ist man schon froh, wenn für einen beschäftigungslosen Juristen - nach einjähriger Suche! - eine Teilzeitstelle bei einer Versicherung aufgerissen werden konnte. Auch für einen der AutorInnen dieser Zeilen, der seine (nichtakademischen) Daten probehalber in den Computer füttern ließ, wäre nichts zu holen gewesen. Auf die Berufseingrenzung »Journalismus, Werbung, Literatur« antwortete das Stellenangebot mit zwei Vertreterjobs, vier Buchverkäufer- und einem Übersetzerposten, den allerdings in Holland. Der »kunstfehler«-Test für PolitikwissenschafterInnen fiel um nichts besser aus: Die meisten ArbeitgeberInnen wüßten nicht einmal, worum es sich bei diesem Studium handle, demonstrieren die AMS-BeamtInnen Realitätssinn. Überhaupt herrsche im Bereich der Sozialwissenschaften »tote Hose«. Es wäre eine Utopie zu denken, als SozialwissenschafterIn in nächster Zeit ein Angestelltenverhältnis zu bekommen. Frauen haben - wie in nicht-akademischen Bereichen auch - ein zusätzliches Problem.

Martin Salzer, einer der AkademikerInnenberater, beschreibt seine Aufgabe folgerichtig auch wie die eines Sozialarbeiters: »Ich muß den Leuten Hemmschwellen nehmen, Ideen liefern und den Funken einer Hoffnung geben.« Und den Funken werden in Zukunft wohl immer mehr notwendigst brauchen. Um überhaupt eine Chance zu haben, ist Kondition vonnöten: Wichtig ist es, den Arbeitsmarkt zu kennen, sich immer wieder zu bewerben, auch bei Institutionen, die keine Stelle ausgeschrieben haben. Und wenn die Strategie unaufgefordeter Eigenbewerbungen nicht fruchtet? Dann bleibt noch die Möglichkeit, sich selbstständig zu machen. Wenn es keinen Job gibt, muß man eben einen »erfinden«.

Viel Glück!