oktober 1996

Thomas Rothschild
wenn und aber

Vorschlag zur Güte

Zunehmend entledigt sich die öffentliche Hand ihrer Aufgabe der Kunstförderung durch Wettbewerbe. Das Spektakel sichert ihr größere Publizität als bloße Subventionierung auf dem bürokratischen Wege und gibt zudem Juroren die Chance, vom Glanz der Künstler ein paar Strahlen abzubekommen, ja vielleicht sogar jene durch hektisches Bramarbasieren in den Schatten zu stellen.

Das Problem ist freilich, daß einer, zum Laureaten gekürt, nicht nur die Preissumme, sondern auch noch den Ruhm für sich allein davonträgt. Die anderen schauen gelackmeiert hinterdrein. Die Enttäuschung ist unvermeidlich. Hat doch jeder, der nicht aus berufenem, von sich selbst berufenem Munde zum Besten ernannt wurde, gleich den Ruch des Schlechten. Tertium non datur. So viele Niederlagen für einen Sieg! Der Preis der Konkurrenz, auf derem gottgewollten Prinzip bekanntlich unsere soziale Marktwirtschaft beruht. Wer wollte daran rühren.

Dennoch. Tränen sollten nicht nötig sein. Deshalb mein Vorschlag zur Güte. Die Juroren mögen bei Wettbewerben jeweils nur den Zweitbesten auszeichnen. Der Vorzug ist unmittelbar einsichtig. Jeder, der leer ausging, kann sich nun mit der Illusion schmeicheln, gerade er sei der Beste. Wer wird unter solchen Umständen noch den Preis erhoffen? Schmeckt nicht der dotierte zweite Platz schal neben der Möglichkeit, nein, der Wahrscheinlichkeit, der eigentliche Champion zu sein? Ist ein System, das nur einen Zweitbesten, aber unzählige Beste kennt, nicht ungleich humaner als eins, das einen zum Besten macht auf Kosten von unzähligen Zweit- bis n-Besten, also von Schlechten? Die Entscheidung sollte nicht schwer fallen. Bei Gefallen überweisen Sie das Honorar bitte an den unterzeichneten zweitbesten Ideenproduzenten.