oktober 1996

Thomas Neuhold
schön und gut

Wo der Pfeffer wächst

Sie sind das sprichwörtliche »Salz in der Suppe«: Gewürze und Kräuter, deren Düfte und Geschmäcker unsere Nahrungsaufnahme oft erst zu dem machen, was sie sein soll - ein Genuß. Daß die Kräutl in den meisten Fällen mehr sind als nur Duft- und Geschmacksverstärker, ist in Zeiten der Instant-«Brathendlgewürze« und Suppenwürfel oft schwer zu erkennen. Dabei haben die verschiedensten Pflänzchen oft sogar medizinische Wirkung.

Daß Knoblauch - wie alle Lauchgewächse - blutdrucksenkend ist, gegen Verkalkung hilft und eine starke antibiotische Wirkung hat, dürfte soweit noch Allgemeingut sein. Aber was bewirkt eigentlich Oregano, außer Heißhunger auf Pizzen? Er dient - wie auch Majoran, Rosmarin, Thymian... - vor allem der Fettverdauung. Kümmel hilft bei Blähungen und Salbei gegen Entzündungen, Gewürznelken sind ein Antiseptikum,... alles nachweisbar. Einigen Pflanzen wird freilich mehr zugeschrieben, als sie können. Lendenschwache Männer beispielsweise geben seit Jahren Unsummen für den angeblich potenzfördernden Ginseng aus. Ohne Erfolg, gegen Impotenz ist kein Kraut gewachsen. Oder doch? Sellerie hat noch am ehesten stärkende Wirkung. Und wenn’s nicht hilft? Dann war der Versuch mit Sicherheit billiger als Ginseng.

Neben falschen Gerüchten - auch die Muskatnuß hat nicht die kolportierte narkotische Wirkung - haben die KonsumentInnen aber ein weit größeres Handikap. Da die ätherischen Öle der Gewürze ziemlich flüchtig sind, habe5n die getrockneten, vermahlenen und oft bis zur Unkenntlichkeit vermantschten Mischungen im Sackerl oft nur mehr ein Fünftel ihrer ursprünglichen Inhaltsstoffe. Investition in frische Ware lohnt. Diese ist aber immer schwerer zu bekommen. Bis vor kurzem war noch der Kräuterhof in Leopoldskron-Moos mit seinem biologischen Anbau ein Geheimtip. Der EU-Beitritt ließ aber die Preise um ein Drittel in den Keller rasseln, und so mußte sich der »Kräuterhof« auf den Import verlegen. Heute gibt es nur noch Eigenanbau für wenige Stammkunden, sonst kommt eben Thymian aus Rumänien, statt frisch vom Feld. Daß die Ware beim Transport verliert, gibt man am Kräuterhof auch offen zu, aber nach dem Beitritt ist der Eigenanbau schlicht unfinanzierbar geworden. Österreich als Feinkostladen Europas gibt es eben nur in Propagandareden.

Was also tun? Die netten Leute vom Kräuterhofweg 30 werden wahrscheinlich niemandem die Tür weisen, der um einen Strauß vorbeischaut, Frisches gibt es auch bei den Gärtnern am Schrannenmarkt, und was hierzulande nicht blüht, gibt es im EZA-Weltladen in hervorragender Qualität.