november-dezember 1996

Thomas Neuhold
kommentar

Die Zeit des Bettelns ist vorbei - Eine kulturpolitische Nachlese zum Skandal ums Art Forum

»Früher kamen die klügsten Köpfe nach Alpbach und zahlten sich dort ihr Erdäpfelgulasch selber. « (Kurier)

Groß war die Aufregung, nachdem der »kunstfehler« in seiner Oktober-Ausgabe die finanziellen Prassereien beim »European Art Forum« (EAF) und den Tiefflug der »Selbstfeier des Bildungsbürgertums« zum Thema gemacht hatte. Tageszeitungen griffen die »bitteren Zahlen« ebenso auf, wie der ORF die Zwei-Klassen- Kulturgesellschaft. Demnächst wird sich auch der Landtag mit einer Anfrage der Bürgerliste zum »metakulturellen Großprojekt« (LAbg. Karoline Hochreiter) befassen.

Naturgemäß besonders empört waren die Ertappten. Ihre Verteidigung war freilich dürftig. Daß die Reisekosten für den Literaturwissenschafter Edward W. Said mit dessen schwerer Erkrankung zu erklären seien, war alles. Saids angegriffene Gesundheit war der Redaktion nicht bekannt, stellt aber wohl nur einen einzigen Budgetposten außer Streit. Was fällt uns zu dem Privatflug von EU-Kommissar Franz Fischler (ÖVP) ein?

Aufschlußreicher war da schon die Rechtfertigung der obersten Kulturbeamtin des Landes. Monika Kalista breitete ihr Kunst- und Kulturverständnis vor uns aus und meinte, daß hohes Niveau eben viel Geld koste. Aha! Den Umkehrschluß, daß alle jene Salzburger Kulturbetriebe, die am Rande ihrer Existenz dahindümpeln, niveaulos seien, würde Frau Kalista vermutlich brüsk von sich weisen. War ja nicht so gemeint...

Aber genau darum geht es. Die Frage ist offen zu stellen: Was will die Kulturpolitik von Land und Stadt? Ein elitäres Millionenspektakel, das drei Tage unter Ausschluß der Öffentlichkeit in Salzburg tagt, oder eine Vielfalt kultureller Aktivitäten aller Sparten und Genres in Stadt und Land für und mit den SalzburgerInnen? Es ist das alte Konzert von Hoch- und Alternativkultur, allerdings mit neuer Partitur. Die Finanzgebarung des EAF macht deutlich, daß es nur am Rande ums »Sparen« geht, dessen »Notwendigkeit« auch die Kulturschaffenden bereits derart verinnerlicht haben, daß außer wehleidigen Klagen auf Pressekonferenzen kein Protest mehr möglich scheint. Viele Institutionen, Vereine und Einzelpersonen sind in ein Bittstellertum abgeglitten, das ihren eigenen aufklärerischen und emanzipatorischen Kulturanspruch beleidigt und verhöhnt. Die Zeit des Bettelns muß endlich ein Ende haben! Die Bettelei ist nicht nur demütigend: Wer nur mehr Klinken putzt und mit dem Taschenrechner von Tür zu Tür pilgert, dem geht irgendwann auch einmal die Phantasie und Kraft für innovative Kulturarbeit aus. Die Kulturstätten müssen daher jetzt, um sich mangels kultureller Inhalte nicht irgendwann einmal selbst die Existenzberechtigung zu nehmen, mit allem Nachdruck eine Positionsbestimmung der Kulturpolitik einfordern.

Noch ein Beispiel: Als sich die kommerziell organisierten Osterfestspiele beim damaligen Landeshauptmann Hans Katschthaler (ÖVP) um eine Million anstellten, wurde diese im Pausenfoyer des Festspielhauses per Handschlag gewährt. Die gar so marode Stadt legte dann noch eine Million drauf. So sieht’s nämlich tatsächlich aus: Wenn oben die Marie gebraucht wird, müssen wir brennen!

Daß dieser Nachweis ausgerechnet am Beispiel des Art Forums so trefflich gelungen ist, hat im übrigen nichts damit zu tun, daß die Idee eines Europäischen Kunst- und Kulturforums - wofür sich Salzburg zweifelsohne anbietet - nicht bestechend wäre. Im Gegenteil! Ein europäischer Austausch, in den die europäische Avantgarde genauso eingebunden ist wie die Region, der schon in der Vorbereitung die Buntheit der kulturellen Entwicklung Europas einbezieht, hätte viele Aufgaben und Entwicklungschancen. Ein Forum, das nicht nur auf kleine finanzieller Eliten abstellt, käme dann ja auch weniger leicht in die Versuchung, in ein derartig dekadentes Treiben abzugleiten.

Nachsatz: Gerard Mortier hat auf die angedrohte Budgetkürzung des Landes mit Rücktritt gedroht. Bei aller Wertschätzung, Herr Mortier: Das ist ist unerträglich! Hätten sich andere an Ihnen ein Vorbild genommen, gebe es wohl keine Kulturstätte mehr in dieser Stadt.