november-dezember 1996

Mario Jandrokovic
titel

Besitzbürgernahes Bauen

Hinter den Parolen von Altstadt- und Landschaftsschutz verbirgt sich bisweilen schlicht der soziale Kampf um Pfründe

»Lieber alt und schön als neu und häßlich«, scheint die generelle Leitlinie für Volkes Stimme in Architektur-angelegenheiten zu lauten. Im konkreten Fall meint dieser Spruch jedoch vor allem »Lieber reich und im Grünen sitzend als arm und wohnungsbedürftig«. Und Bürgerinitia-tiven haben sich über die Jahre von einem Mittel des Einwandes für mehr Mitbestimmungsrecht hin zum durchführenden langen Arm der obengenannten Grundsätze entwickelt. Ein aktueller Fall wären die Pläne für geförderte Wohnungen in der Leopoldskroner Süßmayerstraße. Ad hoc hatte sich dort eine Bürgerinitiative gegründet, um den gängigen Kanon von »zu hoch, zu groß, zuviel Beton« anzustimmen. Architekt Fritz Lorenz hat das Preisträgerprojekt entworfen, welches nun die dortigen Anrainer auf die Barrikaden steigen läßt, wohl auch einige BewohnerInnen jenes Objekts, das Lorenz dort vor zwei Jahrzehnten realisiert hat. Hauptsächlich wird eine geringere Bebauungsdichte gefordert. Doch ist es gesetzlich nicht möglich, Objekte unter der Geschoßflächenzahl (GFZ) 0,7 zu geförderten Wohnungen zu deklarieren.

Ästhetische Einwände sind bei den meisten dieser Initiativen eher marginal, obwohl zeitgemäßes Bauen, das sich nicht gänzlich in den geschmäcklerischen Windschatten der Traditionalismen stellt, viel eher Angriffsflächen bietet: Während ein Giebeldächlein jeden Wohnsilo recht verträglich zu machen scheint, bedeutet ein Flachdach das Böse in Gestalt von Beton. Besonders eklatant hat sich dies beim ambitionierten, leider verhinderten Sparkassen-Projekt am Franz-Rehrl-Platz ausgewirkt, wo die Litanei von Ensembleschutz an einem Un-Ort zwischen Durchzugstraße, unansehn-licher Geschäftszeile, Tankstelle und dem Koloß von Unfallkrankenhaus bemüht wurde. Im Namen der Altstadterhaltung hätte auch dieses Gebäude vor der großen Geschichte der erzbischöflichen Stadt bis zur Unansehlichkeit in die Knie gehen sollen. Die BewohnerInnen der Arenbergstraße haben ihren historischen Anspruch auf den freien Fernblick letztendlich geltend machen können. Womöglich war es aber noch viel mehr deren Anliegen, zu verhindern, daß das begehbare, in einen öffent-lichen Platz umfunktionierte Flachdach als urbaner Raum - samt all seiner offensichtlich bedrohlichen Vielfalt - so nahe an die Privatsphäre der Häuser mit Garten gerückt wäre.

Der lautere Gedanke des Schutzes von Altstadt und Landschaft wurde in der Mozartstadt allzu oft zu jener Litanei gebeugt, mit der etwa Stadtpolitiker, die in der Aufdeckung von Bausünden Bürgernähe suchen, soziale Fragen wie Wohnungsnot gänzlich aussparen können. Auffällig ist auch, daß Bürgerinitiativen vermehrt im Süden der Stadt aufkommen, genau in jenen Bereichen, wo die Besitzenden zu Hause sind. Hinter den Forderungen des Bewahrens verbirgt sich so nicht zuletzt ein Kampf um die geographische Festzementierung sozialen Gefälles.