märz 1997

Rainer Springenschmid
kommentar

»Gott ist tot«

Townes van Zandt starb 52jährig am Neujahrstag

Wenn es stimmt, daß wahre Kunst Leid braucht, dann war Townes van Zandt einer der größten Künstler, die diese Welt hervorgebracht hat. Leben und Sterben van Zandts sind wie geschaffen für des Sozialromantikers zynischen Traum vom wahren Künstlerleben: geboren als Sohn reicher Eltern, stets herumgezogen, einsam, rastlos. Townes van Zandts erster Song hieß »Waitin’ around to die«. Er schrieb noch viele großartige Songs, für sich, für andere, die damit den Erfolg einfuhren, der ihm stets verwehrt blieb. Emmylou Harris, Willie Nelson, Bruce Springsteen, The Walkabouts, um nur einige zu nennen.

Townes van Zandt hatte die Rolle dessen, der für andere stellvertretend ein Leben lebt, das sie sich nie zu leben trauten. Sie ist ihm stets verhaßt gewesen. Denn Townes van Zandt litt wirklich am Leid der Welt, er war wirklich ein Rast- und Ruheloser, Alkoholiker, depressiv, verzweifelt, und er litt auch am Zynismus, mit dem sein Leiden verklärt wurde. Seine besten Konzerte gab er dann, wenn es ihm gut ging, und gegen den Zynismus der Welt schützte er sich mit seinem eigenen. Und doch ist es nicht zynisch zu behaupten, daß der Blues wohl bei niemandem anderen so gut aufgehoben war wie bei ihm. Wie antwortete doch Lightnin’ Hopkins auf Townes’ Frage, was denn der Blues sei: »Well, I believe the Blues is a cross between the Greens and the Yellows.«

Rainer Springenschmid