märz 1997

Anton Gugg
geschaut

An der Grenze des Erlaubten - Kunst und Zensur in Österreich

AN DER GRENZE DES ERLAUBTEN - KUNST UND ZENSUR IN ÖSTERREICH
nennt sich eine Wanderausstellung des Klagenfurter Universitätskulturzentrums UNIKUM, die nach ihrem erfolgreichen Start im vergangenen Herbst in diesem Jahr auf Bundesländertournee geht. Das von Gerhard Pilgram initiierte Projekt ist als Installation im öffentlichen Raum konzipiert: Wetterfeste Schautafeln in Form stilisierter (Schmutz) Wäschestücke hängen auf Stahlseilen, die zwischen Bäumen oder Häuserwänden gespannt werden. Die Tafeln dokumentieren rund 70 Fallgeschichten aus der Zweiten Republik, prominente und weniger bekannte Fälle, in denen Künstler polizeilich oder gerichtlich verfolgt, kriminalisiert, in politischen und medialen Kampagnen attackiert, von Bürgerinitiativen angegriffen oder Kunstwerke gewaltsam zerstört wurden.

Die Tafeln sind, dem Inhalt der jeweiligen Inkriminierungsversuche entsprechend, nach »Werkgruppen« geordnet: »Verschandelung«, »Nestbeschmutzung«, »Gotteslästerung«, »Verleumdung« und »Perversion«. Reproduktionen von Kunstwerken, Photos, Zeitungsausschnitte, Auszüge aus Gerichtsdokumenten und chronologische Darstellungen veranschaulichen die einzelnen Fälle.

Die Ausstellung ist das Ergebnis umfangreicher Recherchen. Die Materialien wurden teils von den betroffenen KünstlerInnen zur Verfügung gestellt, teils stammen sie aus Archiven, von GaleristInnen und VeranstalterInnen oder aus wissenschaftlichen Dokumentationen. Manche Fallgeschichten erscheinen als Realsatiren, der Großteil der Dokumente, wie diverse Drohbriefe oder Hetzartikel, illustrieren die Gefahr eines kulturfeindlichen Klimas, in dem bisweilen die Grenzen der Gewalt überschritten werden. Trotzdem will die Ausstellung nicht das Bild eines hoffnungslos kulturfeindlichen Staates vermitteln. Sie will Skandale nicht noch einmal skandalisieren. Ohne selbst zu kommentieren, zeigt sie die Bandbreite von Möglichkeiten an der Grenze des Erlaubten: Blamagen und Zerstörung von Existenzen, aber auch jene Fälle, in denen der Skandal zum Erfolg von Kunst und KünstlerInnen beigetragen hat. Die BetrachterInnen sind eingeladen, sich selbst ein kritisches Urteil über die Motive und Konsequenzen der Inkriminierung von Kunst zu bilden.

Im Herbst 1997 wird die UNIKUM-Ausstellung auf Einladung des Dachverbands Salzburger Kulturstätten auch in Salzburg Station machen.

Waldemar Kufner im Weihergut

Sehr oft kommt es nicht vor, daß sich ein Künstler mit einem »Alterswerk« vorstellt, das eigentlich ein »Jugendwerk« ist, und diesen Anspruch auch mit jedem Bild glaubhaft einlöst. Umso mehr Aufmerksamkeit verdient die erste repräsentative Ausstellung, ja die erste »echte« Picture-Show des bayrischen Knapp-Sechzigers Waldemar Kufner, die ab Mitte März im Weihergut an der Biberngasse läuft.

Der »Fall« Kufner ist kompliziert, widersprüchlich und zugleich sehr einfach. Da gibt es einen Mediziner, einen »Seelendoktor«, der mit spätexpressionistisch kultivierten Landschaftsbildern in der Gegend um den Chiemsee seit Jahren ein sehr geschätzter »local hero« ist und darüber hinaus ein bekannter Land-Artist und Objektkünstler, zugleich aber stets ein verborgenes »anderes« Malerleben gelebt hat und dieses zweite Künstlergesicht nun konsequent zu seinem ersten machen will. Das gewissermaßen »Historische« und besonders Schöne und Lebendige an der Geschichte ist die Tatsache, daß es immer KünstlerInnen mit Brot-Produktion und privater Anarcho-Kunst gegeben hat, jedoch gerade dieser ungewöhnliche Künstler seine »Herzens-Malerei« vollkommen reflexionsfrei von therapeutischer und künstlerischer Lebens- unterhaltbeschaffung gehalten hat. Wer die »wirklichen« Bilder Waldemar Kufners sieht, fühlt sich keineswegs an Psychoanalytisches, Heilendes, an Abreaktionen und sonstige Lebenshilfen erinnert und wird auch nicht die Spur von sogenannter »Altersweisheit« vorfinden. Da liegt ein vollkommen von Produktionsumständen und Störfaktoren abgeschirmtes Werk vor, das ausschließlich dem malerischen Experiment gewidmet ist.

Genaugenommen ist Kufner in seinem Bargener »Elfenbeinturm«, einem frühen Industriebaudenkmal, eine Art Laborwissenschaftler auf der Suche nach noch nie gesehenen Wirkungen freier Farbsubstanzen. »Thema« der Bilder ist die Reaktion unterschiedlicher Techniken und Stoffe, die sich auf Papier oder Leinwand eigentlich niemals begegnen dürften. Gerade »unerlaubte« Kombinationen sind Auslöser für umwerfend sinnliche Oberflächen-Ereignisse. Kufner ist ein Meister des Großformates. Je weitläufiger die Fläche, desto brillanter und kraftvoller enfalten sich die Farb-Kristallisationen, die geradezu nach wechselnder Beleuchtung schreien. Die Bilder bewegen sich im Licht, sie sind reine Malerei in einem radikal »chemischen« Sinn und dennoch weit davon entfernt, dekoratives Kunsthandwerk, oberflächliche Farbspielerei zu sein. Abstrakte Malerei ohne peinliche Seelenpreisgabe, reiner Glanz ohne die Banalität des Materiellen - Kufner ist eine neue, faszinierende Stimme im Chor von MalerInnen, die bereits Gemaltes endlos wiederholen, ein »naives« Originalgenie abseits jeder Marktstrategie.