märz 1997

Mario Jandrokovic

»Meine Sprache hat sich verschärft«

Der Cartoonist Gerhart Haderer oder: Von der Notwendigkeit der kleinen Übergriffigkeiten

Die besten Cartoons des letzten Jahrzehnts wurden verpackt in einer ansehnlichen Schwarte, und doch wurden die Zeichnungen, oftmals Zeitzeugen aus der Vergangenheit, noch nicht von der verharmlosende Patina des Geschichtlichen befallen. Mögen die schlagzeilenträchtigen Themen und auch die führenden Köpfe, deren sich Gerhard Haderer in den hier präsentierten Werken angenommen hat, auch schon im Schatten des Vergessenen stehen, so vermögen die Car-toons noch immer anzustacheln: Unverblümte Boshaftigkeit und Feinsinn für kleine Details geben eine gute Kombination ab, um die Zeitlosigkeit von Perfidie und Dummheit hervorzukehren.

Nicht zuletzt zeigt der Band, wie wohldosierte Über- und Untergriffigkeit ein probates wie zielführendes Mittel ist, damit Humor nicht bloß zu einer kleinen und trivialen, im Akt des Schmunzelns leicht entsorgbaren Geste wird, sondern einen klaren (gesellschafts)politischen Standpunkt einnimmt. Dieser klare Standpunkt hat schlußendlich wohl auch dazu geführt, daß Gerhard Haderer seit letztem Jahr nicht mehr bei den »Oberösterreichischen Nachrichten« ist.

Haderer: Vier Jahre Zusammenarbeit sind für diese stockkonservative Zeitung eine nicht unbeträchtliche Leistung, schließlich gab es auf meine Zeichnungen die wildesten Reaktionen. Es ist dann speziell im letzten Jahr einfach die Unsitte aufgekommen, daß immer wieder über meine Zeichnungen diskutiert worden ist und man sie schlußendlich sogar abgelehnt hat, ohne mich zu verständigen. Das habe ich als Zensur betrachtet. Als das das vierte Mal passiert ist, habe ich ganz schnell die Entscheidung getroffen, dort zu kündigen.

Die Querelen mit den »OÖN« sind nicht zuletzt als exemplarisches Beispiel dafür zu sehen, wie sich das Territorium des »freien Wortes« verschiebt. Allein schon anhand der Winde eines Wolf Martin konnte man sich einen Reim darauf machen, wie der Erfolg der F bei den Europawahlen unmittelbar dem Wortschatz der »Krone« ein klein wenig Schärfe hinzufügte. Von gleicher Seite werden dann meinungsmachende Majoritäten als bedrohte Minderheiten in Schutz genommen: Wenn sich etwa der St. Pöltener Bischof in üblicher Manier empört, verteidigt er gleichsam seine bedrohten persönlichen Gefühle. Und die herrschende (oder auch kolportierte) öffentliche Meinung läßt Medien zunehmend den Schwanz einziehen.

Haderer: Was den Rechtsruck besonders ausmacht, ist der vorauseilende Gehorsam der Zeitungsredakteure und auch der Meinungsmacher. Das bewirkt dann auch, daß man tatsächlich nicht mehr - wie vor vier, fünf Jahren - völlig ungebremst und nur sich selbst verpflichtet künstlerische Arbeit in Anspruch nehmen kann. Das trifft mich genauso wie alle anderen Exponierteren, die sich als im weiteren Sinne Liberale oder künstlerisch Tätige verstehen. Man merkt, daß da wirklich sehr gedämpfte Verhältnisse um uns sind: Mal schaun, wie lange es noch möglich sein wird, eine Seite in einer Zeitung zur Verfügung gestellt zu bekommen...

... Ansonsten würden wohl nur noch Alternativzeitschriften wie der Linzer »Hillinger« (wo Gerhard Haderer regelmäßig veröffentlicht) als ghettoisiertes Forum für seine Arbeiten bestehen bleiben. Die Frage, ob man sich daher eher am Weg des Kompromisses auf einen langen Marsch durch die Instanzen der öffentichen Meinung begeben soll, hat sich für ihn jedoch nie gestellt: Meine Sprache hat sich in den letzten Jahren sogar ganz sicher verschärft. Es ist bemerkenswert, daß eine Aussage wie ‘Jemand steht am rechten Rand des politischen Spektrums’ zur Zeit einfach keine Attacke mehr ist, und da muß man dann wirklich deutlicher werden.