märz 1997

Mario Jandrokovic

Erinnern an die Zeitgeschichte!

Wehrmachtsausstellung: Viel politisches Kleingeld, aber ungeklärte Finanzierung durch die öffentliche Hand

Nunmehr ist so gut wie sicher, daß die Ausstellung »Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944« von 7. März bis 23. April nächsten Jahres in Salzburg gezeigt werden wird. Für die Durchführung wird sich noch im März der Verein »Erinnern!« konstituieren. Die Salzburger Wissenschaftsagentur ist mit den Vorbereitungen zur Vereinsgründung und mit der Ausarbeitung eines Finanzierungsplans betraut worden. Derzeit zeigt eine breite Basis Willen zur aktiven Mitarbeit, neben Politik- und GeschichtswissenschafterInnen sind dies auch VertreterInnen der jüdischen Kultusgemeinde, diverser Kultureinrichtungen sowie PolitikerInnen aus dem grünen bis roten Lager.

Dieses breite Spektrum an Institutionen und Personen engagiert sich alleinig schon deshalb, da diese Ausstellung ohne die begleitende Aufarbeitung auf wissenschaftlicher und kultureller Ebne sowie auch im Bildungsbereich wohl Gefahr laufen würde, bloß punktuelles Spektakel zu bleiben; und einige lobende wie auch empörte Leserbriefe wären bei diesem Thema gewiß zu wenig an Effekt und Auseinandersetzung. Jener Ort, wo die vom Hamburger Institut für Sozialforschung aufgearbeitete Wanderausstellung, die innerhalb der Alpenrepublik bereits in Wien, Klagenfurt und Linz für BesucherInnenanstürme und Kontroversen gesorgt hat, steht noch offen, in engerer Auswahl stehen jedoch Stadtkino und Petersbrunnhof.

Noch ehe die Salzburger Wehrmachtsausstellung auch nur vage fixiert war, geriet das Thema schon zum lokalen Politikum. Der edle Wettstreit von Rot und Grün, die beide darum buhlten, sich als Initiatoren der Ausstellung in Salzburg zu betätigen, blieb dabei vernachlässigbare Fußnote. Doch schon die vorhergehenden Ausstellungstermine in Österreich hatten zur Folge, daß Zeitgeschichte wieder politisiert wurde wie vor zehn Jahren: Zwischen »Krone«, ÖVP und F erlebte man die massive Wiederkehr jenes Tonfalls, der in der Kontroverse um Waldheim erst salonfähig gemacht wurde. Die Ausstellung verurteile kollektiv, heißt es in diesen Reihen, die damit eigentlich vor allem eins fordern: den kollektiven Freispruch für die Beteiligten an einem vermeintlichen Krieg »nach den Spielregeln«, in dem sich halt wie zufällig einige verbrecherische Elemente fanden.

In Salzburg war Bürgermeister Josef Dechant sowieso dagegen! Franz Schausberger - mit doppelter Autorität als Landesvater wie als Historiker - gab seiner Einschätzung Nachdruck, daß die Ausstellung einseitig sei, und entzog sich somit auch der Verantwortung, die Veranstaltung finanziell mitzutragen. Kulturlandesrat Raus (SP) setzte einen symbolischen Akt und sicherte zumindest 100.000.- Schilling Ausfallshaftung zu, dieselbe Summe bemüht sich SP-Gemeinderatsklub-Vorsitzende Susanne Neuwirth bei der Stadt locker zu machen; damit wären zumindest die 200.000.- Schilling abgedeckt, die von vornherein dem Hamburger Institut für Sozialforschung zu zahlen sind.

Die Ausstellungsaufbereiter haben jedes einzelne ausgestellte Dokument genauestens überprüft und Zeugnisse ungewisser Herkunft gar nicht erst in der Schau untergebracht. Der Landeshauptmann jedoch gibt sich damit zufrieden, »umstritten« zu sagen. Die angebliche pauschalisierende Verurteilung der Wehrmacht untemauerte er unter anderem mit dem Verweis auf Partisanen, die sich, so Schausberger wörtlich, »außerhalb der Kriegsgesetze« gestellt hatten (wie etwa jene österreichischen Staatsbürger in Kärnten, die so gegen eine Besatzungsmacht kämpften). In seiner kategorischen Ablehnung scheint Franz Schausberger selbst den F-Landesrat Robert Thaller rechts überholt zu haben, der zumindest die Ausstellung als ein Forum der Auseinandersetzung mit dem Thema begrüßt und sogar angeboten hat, den (ohnehin nicht vorgesehenen) Ehrenschutz zu übernehmen. Schärfer formuliert da sein Parteikollege, der Nationalratsabgeordnete Helmut Haigermoser: Die Veranstaltung reiße nur Gräben auf und ziehe den »unter dem Belastungspaket leidenden« Österreichern zusätzlich Geld aus der Tasche: So wird der Zweiten Weltkrieg zur Naturkatastrophe, die leicht gegen das offenbar ebenfalls naturgegebene Sparpaket auszuspielen ist.

In Deutschland gab es den Historikerstreit als eine Strategie, sich aus der Verantwortung für die eigene Geschichte davonzustehlen, indem man diese relativiert durch die Greuel in russischen Gulags oder unter Pol Pot, es gab jedoch zumindest zuvor eine unvergleichlich massivere und kritischere Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit; in München wie in Bremen wird die Wehrmachtsausstellung, mit Unterstützung der Kommunen, im Rathaus gezeigt. Im Erzbistum entzieht sich die politische Öffentlichkeit nach wie vor dieser Verantwortung und behandelt Zeitgeschichte als eine Angelegenheit, die man vom Hörensagen kennt (oral history), jetzt erst recht!