märz 1997

an uns

LeserInnenbriefe

Knigge für KünstlerInnen im Umgang mit den Medien, oder: Was uns zusteht und was uns geziemt...

Mir reichts.

Kaum hat uns Doris Knecht mit launigen Worten im »kunstfehler« belehrt, wie wichtig ideologisches Rückgrat und lautstarkes Auftreten gegen den Staat von seiten der KünstlerInnen und Intelektuellen doch für das Fortkommen der Nation seien, haben ihre Falter-Kollegen Armin Thurnher und Klaus Nüchtern nach der Demontage des Kunstministeriums nichts Besseres zu tun, als KünstlerInnen, Kulturorganisationen und deren Interessensvertretungen zu knüppeln, die zu laut gegen den Strukturwandel in der Kunstverwaltung und die unergründlichen Strategie-Metamorphosen der SPÖ auftreten.

Blenden wir zurück: Doris Knecht hat am Nonntaler Symposion Kulturkampf - zumindest läßt sich das aus der gekürzten Fassung ihres Referates schließen - hauptsächlich gegen die gekämpft, die sie die »verwöhnten und verweichlichten« Künstler nennt, die sich »bei ihren Freunden, den Regierenden, den Subventionsgebenden damit bedanken, daß sie das Maul halten, egal, was passiert.« Derartig provokante Pauschalverurteilungen erregen, aber meist nur die Oberfläche. Die Möglichkeiten, wer damit gemeint ist, schwanken ja zwischen Turrini und Udo Jürgens, also ohnehin zwischen jedem und keiner, im konkreten Fall mit den dezidierten Ausnahmen Hader und Resetarits. Ich habe aus Knechts Bemerkungen jedenfalls auch zwei sinnvolle Wünsche herausgelesen: Erstens Gelassenheit gegenüber Haider und zweitens eine gehörige Portion gesunder Kritik an den Regierenden.

Kaum passiert dann etwas, nämlich die planvolle Entschlackung der aufgeblähten Strukturen eines obsolet gewordenen Kunstministeriums und die direkte Subordination unter den Kunstkanzler, sprechen und schreiben nicht nur die Bundestheaterdirektoren und die Wahrheitsschreiber der Kronenzeitung die vom Kanzler vorgegebene Wahrheit. Nein, es kommen auch die QuerulantInnen und LamentatorInnen aus den Staatskunst- und Interessensvertretungslöchern hervor und jammern wieder. So gesehen zumindest aus dem Blickwinkel Klaus Nüchterns, der die BeschwerdeführerInnen als »wehleidige«, »sich selbst zum bibbernden Opfer stilisierende« »bedrohte Karnickel« bezeichnet und Armin Thurnher, der sie elegant mit dem Begriff »Resolutionskultur« in die Ecke der Fortschrittsfeinde befördert.

Das dürfens dann nämlich wirklich nicht: Sie sollen sich pflichtgemäß aufregen gegen Asylgesetze, gegen Sparpakete, gegen die österreichische Außenpolitik oder gegen die Diskriminierung von Homosexuellen, aber bitte doch nicht so degoutant und vorverurteilend zu den zukunftsweisenden Plänen unserer neuen Regierung Stellung nehmen. Bleibt also im Schicklichkeitsempfinden der Falter-Redaktion die schmale Möglichkeit, seine/ihre Wortspenden karitativ den jeweils Wortlosen zuzuwenden, die eigenen Arbeits- und Lebensbedingungen allerdings in nobles Schweigen zu hüllen und sich diesbezüglich in die einsturzbedrohten, ohnehin fiktiven Elfenbeintürme zurückzuziehen. Soweit also eine Synthese der Wünsche der Falter-Redaktion, soweit man ihr die Gleichgeschaltetheit unterstellen mag.

Die inhaltlich widersprüchlichen Ansätze von Knecht auf der einen Seite und Nüchtern und Thurnher andererseits haben auch gemeinsame Elemente: Neben der offensichtlichen Parallele der Künstlerbeschimpfung taucht noch eine subtilere Gemeinsamkeit auf: das Stilmittel der Entsolidarisierungsselbstbezichtigung bei gleichzeitiger Beteuerung der Besserungsabsichten. Bei Knecht heißt es: »Ja, ich weiß, sowas darf man nicht sagen, wenn man sich selbst dem linken Spektrum zurechnet. Wer sowas sagt, gibt ja den Rechten recht und Munition in die Hand. Wer sowas sagt, macht sich der Entsolidarisierung verdächtig.« Bei Nüchtern: »Ich weiß schon, das sind billige, polemische Punkte, und ich höre ja gleich wieder auf. Nächste Woche sind wir dann wieder solidarisch und gemeinsam gegen das Böse...«. Es handelt sich offensichtlich um eine Verschwörung derer, die sich als Gute hinstellen, die ab und zu ins Böse ausgleiten, und in Wahrheit wirklich böse sind. Im Ernst: In solchen Fällen braucht es keine Solidarität, sondern lediglich einen möglichst klaren analytischen Blick. Der würde klären, daß KünstlerInnen nur einen hoffnungslos kleinen Teil der zur Rettung des Vaterlandes aufgerufenen Intellektuellen darstellen, der würde klären, daß Interessensvertretungen dazu da sind, Interessen zu vertreten und daß das Interessen sind, die in der letzten Zeit zunehmend Schaden erlitten haben oder Gefahr laufen, Schaden zu erleiden.

Wäre der Falter das einzige Printmedium, das auf ähnliche Töne einschwenkt, so wäre das für mich kein Grund zur Klage. Für mich sind die erwähnten Artikel aufregendere Beispiele eines Mechanismus, der jetzt die Grenzen des Boulevards und der PopulistInnen überschreitet, und auch Medien, die sich selbst als aufklärerisch verstehen, erfaßt, ein Mechanismus, der den Topos der KünstlerInnen- und IG-Beschimpfung zum gewohnten Werkzeug der Redaktionsstuben macht. Ich habe dafür wenig Verständnis und noch weniger Erklärung: Gegenüber KollegInnen im Kunstbereich hege ich auch oft das Vorurteil der politischen Apathie, eine Verallgemeinerung dieses Klischees scheint mir jedoch einfach blöd; für die Interessensvertretungen trifft wohl zu, was für Gewerkschaften und organisierte Vertretungen im allgemeinen zutrifft, oder noch allgemeiner: für alles, was durch die wachsend negative Besetzung von Begriffen wie Struktur oder Verwaltung in Verruf gerät: Es wird ziellos dem Deregulierungswahn verfallen, und dabei sind die Medien wohl brave Wasserträger. Und beide betroffenen Gruppen sind in höherem Ausmaß der Dialektik von Autonomie und Abhängigkeit ausgesetzt, daher also von vornherein leicht angreifbar. Also ist dieser Knäuel wohl tendenziell unauflösbar. Trotzdem ein guter Rat zuletzt: Zu einer sinnvollen Form von Wehleidigkeit gehört die Lust am Jammern. Auf also: Mit Freude lamentiert, queruliert, polemisiert und jammert den AntijammerschreiberInnen ihre Faxgeräte wund.

Gerald Raunig, Musiker, Medienkünstler, Vorstandsmitglied der IG Kultur Österreich