april 1997

Peter Truschner
gelesen

ELLISON, Ralph. Der unsichtbare Mann.

Ammann Verlag 1995.

Ellisons Roman galt vielen Schwarzen (nicht nur der »Black Panther«-Bewegung) als Initialzündung - vor allem einem Typus, den es in Film, Literatur und Penny Press nicht gab. Ellison stellte sich die Frage, »warum selbst die meisten Protagonisten in der afro-amerikanischen Literatur (ganz zu schweigen von den scharzen Romanfiguren von weißen Schriftstellern) ohne intellektuelle Tiefe waren«. In den ersten Kapiteln wird der Preis für Bildung und Intellektualisierung schnell vor Augen geführt: eine bis in die Bereiche freiwilliger Domestikation führende Dankbarkeit, die das Recht auf eine derartige Bildung wieder in einen weißen Gnadenakt ummünzt. Darin lag eines der Kernprobleme des Schwarzen-Daseins. War es wirklich sein einziges Recht - etwa im Bürgerkrieg oder im Ersten Weltkrieg - zu sterben? Ellison: »Wie schafft man es, einen Neger in Kriegszeiten als gleich anzuerkennen und ihm dann in Friedenszeiten die Gleichheit zu verwehren?« Eher unfreiwillig fliegt der seine Namen bzw. Identitäten später Wechselnde - im Grunde Namen- und Identitätslose - von einem von Weißen gegründeten Schwarzen-College - eine Festungs-Ausgabe von Onkel Toms Hütte - und muß sich in New York durchschlagen. Aber egal ob er an eine von weißen organisierte Bürgerrechtsbewegung gerät, die zweifelt, ob er als Identifikationsfigur auch »schwarz genug ist«, an weiße Frauen des gehobenen Mittelstandes, die sich vor allem die Auswirkungen seiner Animalität im Bett ausmalen, oder an hypnotische Schwarzenführer, die den Haß der Bewohner Harlems so lange schüren, bis er sich nicht nur gegen alles Weiße, sondern auch gegen die kritischen Stimmen in den eigenen Reihen wendet: Er selbst bleibt »unsichtbar« in dem Sinn, daß sich Schwarz und Weiß für ihn nur als potentielles Zahnrad interessieren, das sich gewinnbringend in ihr ideologisches Getriebe einverleiben ließe. Auch wenn Spike Lee »Malcolm X.« mehrere Zitate aus dem Buch in den Mund legt, scheint mir, daß Ellison in der Figur von Ras, dem Zerstörer, ein Vorentwurf auf jene elitäre Haltung der »Black Muslims« gelungen ist, die sich anmaßten zu beurteilen, wer wann schwarz genug ist und wer nicht.