april 1997

Doc Holliday
gelesen

BURKHARD SCHERER Auf den Inseln des Eigensinns.

Eine kleine Ethnologie der Hobbywelt Beck’sche Reihe 1995

»Das Aftergefieder muß gut anliegen!« Ist hier von geheimen homosexuellen Praktiken die Rede? Keineswegs. Was allerdings bestenfalls die Gebrüder Poulard und Angehörige der Subkultur der Kleintierzüchter wissen, bezieht sich die hier erhobene strenge Forderung doch auf die »Achterpartie der King-Taube«. Entnommen ist sie dem Züchter-Zentralorgan »Geflügel-Börse«, einer wahren Fundgrube an unfreiwilliger Komik. Allein die Namen der Federvieh-Rassen - Deutsche Reichshühner, Antwerpener Bart-zwerge, Niederländische Hochflieger - und die vom Zuchtverband festgelegten Definitionen und Standards führen zum Prusterich und Lachkrampf. Der Texaner etwa ist kein wohlgelittener Ausstellungsvogel mehr. »Rote Augenränder führten zu niedrigen Noten.« Da weiß der Laie wenigstens, daß man mit Sicherheit nicht gemeinsam mit dem Federvieh ausgestellt wird! Scherer untersucht in vorliegendem Buch auf sehr amüsante Weise 49 Zeitschriften, die alle einer eigenen Insel entsprechen, mit einer eigenen Mentalität, eigenen Bräuchen und einer eigenen Sprache. Das Volk zerfällt in unzählige Stämme und Unterstämme, die kaum etwas voneinander wissen. Der revierlose Waidmann z. B. schert sich den Teufel um die Windschattenseuche bei den Triathleten. Dabei ist das Grundwissen im gutsortierten Zeitschriftenhandel gegen ein geringes Entgelt erhältlich. Scherer ist der würdigen Tradition von Karl Kraus, Kurt Tucholsky oder Walter Benjamin verpflichtet. Er verfällt auch nicht in weinerlichen Kulturpessimismus und ist frei von strikter wissenschaftlicher Dürre und Trockenheit. Ab und an bleibt einem allerdings das Lachen im Hals stecken: dann nämlich, wenn man sich fragt, was eigentlich die Leser der Hobby- und Ratgebermagazine so groß vom Publikum der Feuilleton-Dossiers, der Satire-, Musik- und Kunstzeitschriften unterscheidet, zu deren Amüsement Scherer schließlich die Hobbywelt zerlegt.