april 1997

Ursula Rotter

Sandler, Gfraster, Gsindl!

100 Menschen leben in Salzburg permanent auf der Straße. Schlafplätze sind rar

Es war versprochen: Bis 15. Februar hätte eine Entscheidung in Sachen der unendlichen Geschichte »Notschlafstelle« fallen sollen. Tatsächlich meldete sich Landeshauptmannstellvertreter Gerhard Buchleitner als zuständiger Sozialreferent auch exakt zu diesem Datum: Ja, ließ er via Medien ausrichten, es wird eine Notschlafstelle geben. Doch das von ihm geplante Handling verwirrte. Caritas und Soziale Arbeit Ges.m.b.H. (SAG) sollten die Schlafstelle gemeinsam betreuen. Nur - weder bei der Caritas noch bei der SAG wußte man davon. Ebensowenig wie in der zuständigen Finanzabteilung des Landes.

Bis zu Redaktionsschluß war noch keine definitive Entscheidung gefallen, welches der von beiden Institutionen vorgelegten Konzepte nun den Zuschlag bekommen soll.

Die Zeit drängt. Ende November 1996 waren laut Erhebung 408 Menschen akut wohnungslos. Rund 100 von ihnen leben de facto auf der Straße, schlafen in Abbruchhäusern, Eisenbahnwaggons oder unter freiem Himmel. Ende April wird auch noch die bestehende Notschlafstelle in der Feuerwache Maxglan geschlossen, abgerissen und durch eine gemischte Wohn-/Geschäftsbebauung ersetzt werden.

Somit fällt auch noch die letzte Möglichkeit, in einer halbwegs menschenwürdigen, trockenen und geheizten Unterkunft zu nächtigen. Und wer sich an den letzten Sommer erinnert - auch im Juli kann's verdammt kalt sein.

Vielleicht jedoch, immer vorausgesetzt, die zuständigen Stellen können sich einigen, gibt es ab dem Spätsommer eine neue, schönere Notschlafstelle. Der Caritas schwebt der Umbau eines Objekts in der Hellbrunnerstraße vor. Das Haus ist im Besitz der Kirche, zentral gelegen und hat keine unmittelbaren Nachbarn. Ideal also. Dort sollen bis zu 30 Betten für inländische Obdachlose errichtet werden (Ausländer und Flüchtlinge werden getrennt betreut). Einerseits soll damit eine »klassische« Notschlafstelle die Rahmenversorgung für alle Akutfälle bieten. Obdachlose Frauen und Männer können ab dem späten Nachmittag die »Wärmestube« nutzen und einige Nächte im Haus schlafen. In einem räumlich abgetrennten Bereich soll eine Art Herberge mit längerfristiger Betreuung polymorbider (keine selbständige Wohnfähigkeit, suchtkrank ...) Heimatloser eingerichtet werden. Zusätzlich sieht das Konzept ausreichende Sanitärräume, Waschmaschinen, Verpflegung sowie eine Gepäckaufbewahrung für die persönliche Habe vor.

Soweit der Plan. Die Finanzierung bereitet allerdings Schwierigkeiten. Einerseits ist der Umbau relativ teuer, andererseits erfordert die Koppelung zweier Arten von Betreuung mehr Personal. Die Stadt unterstützt dieses Projekt der Caritas. Zwar weiß man, daß eine Notschlafstelle nicht die Lösung aller Obdachlosen-Probleme ist, doch die Versorgung der Dauerobdachlosen wäre zumindest gesichert. Der Haken daran: Das Land muß als Sozialhilfeträger die Einrichtung akzeptieren. Und Buchleitner will nur eine reine Notschlafstelle mit 15 Betten. Im Büro von Sozialstadtrat Huber mutmaßt man, daß das Land die Befürchtung habe, daß mehr Betten auch mehr Menschen anziehen werden.

So gesehen hat die SAG die besseren Karten. Ihr Konzept sieht von vornherein weniger Zimmer vor. Akut Obdachlose können gegen ein geringes Entgeld (zwischen zehn und 30 Schilling) drei bis vier Nächte in dem pensionsartig geführten Haus schlafen. Wo sich die zukünftige Pension befindet, soll wegen möglicher Anrainerbeschwerden nicht veröffentlicht werden. Nur soviel, sie liegt am Rand der Altstadt. Details wie die Art der Betreuung oder die Zahl der benötigten Mitarbeiter hat die SAG laut ihrem Geschäftsführer Markus Gstach noch nicht überlegt. Parallel zur Notschlaf-Pension, die den Vorteil hätte, daß nicht umgebaut, sondern nur umstrukturiert werden müßte, sollen bereits bestehende Einrichtungen zur längerfristigen Unterbringung genutzt werden.

Notschlafstellen sind, das betonen sowohl Caritas als auch SAG, keine Lösung für das Problem Wohnungslosigkeit. Hier müssen andere Möglichkeiten gefunden werden. Denn in dieser Stadt sind jährlich rund 15.000 Menschen von der Wohnungslosigkeit bedroht. Und: jede/r davon könnte schon morgen potentielle/r NutzerIn der Notschlafstelle sein.