april 1997

Thomas Neuhold

Fünf Ringe, die viel Geld bedeuten

Kostenexplosion und Nachnutzungsfinanzierung - olympische Unwägbarkeiten

Mit dieser Hartnäckigkeit von Sport- und Tourismusfunktionären konnte niemand rechnen: Als der »kunstfehler« im August vergangenen Jahres einen »Nachruf« auf die Olympia-Bewerbung Salzburgs für das Jahr 2006 veröffentlichte, war das voreilig. Selbst gelernte Salzburger müssen einräumen, daß selten ein Großprojekt eine so reale Chance auf Realisierung hatte. VP-Bürgermeister Josef Dechants vorschnelles »Njet« erwies sich, zumindest was die Stimmung in der Bevölkerung angeht, als politischer Bumerang. Begeisterung, ja Euphorie, daß endlich einmal irgendetwas geht und nicht alles in der Salzburger Lähmung versandet, ist die verständliche Reaktion.

Dennoch, der Rückblick auf die vergangenen Winterspiele in Lillehammer 1994 läßt einige Zweifel am Sinn von Olympia aufkommen. Der norwegische Sportexperte Martin Henriksen hatte im Juni ‘96 trotz seiner eigenen Begeisterung für die Spiele von Lillehammer - »die besten Winterspiele, die jemals arrangiert worden sind« - bei einem Vortrag vor dem »Internationalen Arbeitskreis Sport- und Freizeiteinrichtungen« in Bern - eine durchaus nüchterne Bilanz gezogen.

Henriksen bezweifelt vor allem die Möglichkeit einer realistischen Kostenschätzung: »Erstens befinden sich sowohl die Winter- als auch die Sommerspiele in einem schnellen Wachstum. Die Anzahl der Teilnehmer, Sportarten und Disziplinen wächst. Aber vor allem die weltweite Berichterstattung führt zu wachsenden Kosten. Es wird ein immer höherer Standard von den Veranstaltungen verlangt.

Zweitens werden die Bewerbungen sieben bis acht Jahre vor der Veranstaltung ausgearbeitet und können daher nur schwer dieses Kostenwachstum einkalkulieren.«

Fazit laut Henriksen: »Die Ausgaben für die Organisation der olympischen Spiele in Lillehammer wurden zehn mal höher als im Bewerbungsbudget vorausgesetzt.« Außerdem seien die Kosten für Information, Marketing, Technologie, Unterkunft, Gesundheit und Sanitär sowie für das Kulturprogramm enorm gestiegen. Diese Unkalkulierbarkeit gilt wohl auch für Salzburg. Auch dann, wenn man von einem geringeren Finanzierungsvolumen ausgeht, da nicht alle Sportstätten - wie in Lillehammer - neu gebaut werden müßten. Sprungschanzen (Bischofshofen) oder etwa eine Bob- und Rodelbahn (Bayern) sind ja vorhanden.

Offen ist auch die Frage der Nachnutzungskosten. Wer wird die Betriebskosten für die neu zu errichteten Hallen zahlen, die nach 2006 ob ihrer Größe kaum mit Gewinn zu führen sein werden? Herwig van Staa, der Bürgermeister von Innsbruck, dessen Bürger nach zweimaliger Austragung der Spiele in zwei Volksbefragungen eine Neubewerbung mit deutlicher Mehrheit ablehnten, führte genau dies als Argument gegen Salzburg ins Treffen: Da in Innsbruck bereits ein Großteil der benötigten Anlagen vorhanden seien, würde die Ausrichtung der Spiele in Tirol um zwei Milliarden Schilling weniger kosten. Bekomme Salzburg den Zuschlag, würden genau diese zwei Milliarden für einen zur späteren Erhaltung der Anlagen einzurichtenden »Nachnutzungsfonds« fehlen. Die Folge seien weitere Kosten für die Steuerzahler, rechnete van Staa vor.

Ähnliches gilt übrigens auch für die Büroräume: In Lillehammer stehe das Pressezentrum »immer noch als ‘Geisterhaus’ mit 30.000 Quadratmeter freier Bürofläche leer«, so Henriksen. Angesichts des Büroraumüberschusses in Salzburg auch für 2006 eine ernstzunehmende Warnung.

Diese und andere Unwägbarkeiten - Schwankungen im Dollarkurs, die die Einnahmen aus den Fernsehrechten enorm verändern können - werden in der überschäumenden Zustimmung gerne vom Tisch gewischt. Zu groß ist die Verlockung, das sportliche Megaereignis mit dem touristischen Highlight Mozartjahr 2006 zu verknüpfen. Freilich, wie diese beiden Massenspektakel neben- und miteinander auskommen sollen, weiß derzeit auch niemand wirklich zu beantworten.