april 1997

Karl Heinz Ritschl
titel

Neuordnung oder Zersplitterung?

Das neue Museumskonzept - eine Amputation des Carolino Augusteum

Die Salzburger Museumsszene ist in heftige Bewegung geraten. Nicht etwa, daß man ihr soviel Geld und Möglichkeiten von der öffentlichen Hand geboten hat, um ihr ein aktives Leben zu ermöglichen. Nein, es sind neue Planungen in Gang gesetzt worden, Planungen, die jahrzehntelangen Bestrebungen total widersprechen. Die Salzburger Museen sollen im wesentlichen nach Epochen neu organisiert werden.

• Die Antike - Standort offen, möglicherweise Bürgerspital

• Kelten - Keltenmuseum Hallein

• Mittelalter und Neuzeit - Burgmuseum auf der Festung Hohensalzburg

• Darstellung der Geschichte der Salzburger Fürsterzbischöfe - Westtrakt des Glockenspielgebäudes, wobei der Standort Mozartplatz noch zu prüfen ist

• Zusammenlegung des Barockmuseums mit der Residenzgalerie

• Moderne Galerie und Grafische Sammlung sowie Österreichische Fotogalerie Rupertinum - Grafik und Fotosammlung im Rupertinum, Ausweitung der Moderne auf den Mönchsberg

• 19. und 20. Jahrhundert - Museum auf dem Mönchsberg

• Kunsthalle auf dem Mönchsberg

Wörtlich heißt es dann im Regierungsbeschluß: »Eine zufriedenstellende Lösung für das Haupthaus des Salzburger Museums Carolino Augusteum muß Bestandteil der Gesamtkonzeption sein. Priorität hat die Prüfung des Neugebäudes auf seine Tauglichkeit für das Haupthaus.«

Landeshauptmann Schausberger erklärt - im Rundfunk und bei allen Gesprächen - seine Priorität für das Neugebäude. Das MCA müsse vorrangig dort angesiedelt werden. Sein Planer Klaus Schröder jedoch hat bei der Vorstellung des Konzeptes nicht nur Bedenken gegen das Neugebäude geäußert, sondern offen gesagt, er werde über andere Standorte nachdenken. Er hat diese Äußerung inzwischen abgeschwächt, doch sie bleibt im Raum stehen, zumal der Regierungsbeschluß davon spricht, daß der Standort Neugebäude noch zu prüfen sei. Unter Hans Katschthaler hatte die Landesregierung Wieland Schmied mit einer Expertise über die Salzburger Museumslandschaft betraut, der das Neugebäude eindeutig als besten Standort für das Museum definierte. Wozu also die Prüfung der Prüfung?

Wieland Schmied hatte dem Projekt des Rupertinums und des Architekten Garstenauer Priorität eingeräumt, unter dem Max-Reinhardt-Platz eine Erweiterung des Rupertinums und eine Kunsthalle zu schaffen, was in Salzburg zu einer »Museumsmeile« führen würde, nämlich vom MCA im Neugebäude über die Residenzgalerie zum Rupertinum und der Kunsthalle, zum Spielzeugmuseum im Bürgerspital und zu dem um das heutige Museumshaus erweiterten Haus der Natur; eine logische Abfolge der Salzburger Museumslandschaft.

Das Projekt einer Kunsthalle auf dem Mönchsberg ist in sich widersprüchlich. Eine Kunsthalle und ein Museum sind introvertiert, die Blicke gehen ja nach innen, eben auf den Inhalt. Ein solches nach innen bezogenes Haus auf den besten Panoramaplatz der Stadt zu stellen, ist falsch. Der Vorschlag von Stadtrat Siegfried Mitterndorfer und Stadtverkehrsdirektor Piller, das Casino/Winkler-Gebäude in den Kongreßbetrieb einzugliedern, wäre für Salzburg ein wesent- licher Gewinn. Piller sagt, er könne sowohl das Kongreßhaus an der Auerspergstraße wie das Winkler bestens bespielen und vermarkten. Im Winkler sollen zudem entsprechende Räume für Veranstaltungen aber auch für Ausstellungsnutzungen in der kongreßfreien Zeit entstehen.

Damit wäre ein neues Projekt zu verwirklichen: Salzburg hat für Junge Kunst nur wenig Platz, im Trakl-Haus und im Umkreis der Galerie 5020. In den Ausstellungszeiten eines Kongreßhauses auf dem Mönchsberg könnte ein juryfreier Salon der Unabhängigen entstehen, wo jede Künstlerin und jeder Künstler unabhängig von Techniken und Stilen bis zu drei Werke ausstellen kann. Das wäre nicht nur für Sammler, sondern auch für Galeristen interessant, die hier die nachfolgenden künstlerischen Kräfte ausloten könnten. Wie gesagt, das ist eine Überlegung. Über die Details, wie dieser »Salon der Unabhängigen«, analog zu französischen Beispielen, funktionieren könnte, muß weiter überlegt werden. Aber das wäre ein wesentlicher Beitrag zur Belebung der Kunst-szene in Salzburg. Doch zurück zur Museumslandschaft. Schröders Neuordnung zerlegt das Salzburger Museum. 1834 gegründet, war das Carolino Augusteum eine Initiative von Bürgern, und das in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit. 1944 ist das Museum auf dem heutigen Standort inklusive Stadtkinoareal zerbombt worden. Damit begann die Misere des Museums, die bis heute andauert. Es wurde das Burgmuseum errichtet, um Teile der Sammlung zeigen zu können. Es entstand der heutige Museumsbau, von dem jeder wußte, daß er, wesentlich kleiner als das ehemalige Museum, nur eine Übergangslösung sei. Es kamen Räume im Bürgerspital hinzu, und die Volkskunde wurde im Monatsschlößchen in Hellbrunn aufgestellt. Wir haben also die Tatsache, daß in einem Museum eines Alpenlandes die Volkskunde nicht nur völlig disloziert, sondern auch nur im Sommerhalbjahr zu sehen ist. Alle Museumsdiskussionen und Planungen waren bisher darauf ausgerichtet, dem Museum mit einem neuen Standort eine Gesamtschau zu ermöglichen, um so die Geschichte des Landes und der Stadt darzustellen. Schröders Konzeption nimmt nun wesentliche Teile aus der Sammlung heraus und amputiert damit das Museum. Ein sowohl für Touristen wie für Einheimische interessantes Museum kann nur dann geschaffen werden, wenn eine Gesamtdarstellung von der Urgeschichte bis zur Gegenwart zusammenfassend geboten wird. Überdies: Jeder Salzburgbesucher fährt oder geht auf die Festung. Will er Salzburgs Geschichte und Kunst kennenlernen, müßte er in das Neugebäude, in die Residenzgalerie -und auf den Mönchsberg fahren, weil dort das 19. und 20. Jahrhundert dargeboten wird. Das ist wohl keinem Besucher zumutbar.

Für die Errichtung der Kunsthalle auf dem Mönchsberg sollen 300 Millionen Schilling zur Verfügung gestellt werden. Man spricht davon, daß ein Teilbetrag von der Casino AG kommen soll, die im Gegenzug aus ihren Mietverpflichtungen auf dem Mönchsberg entlassen und dafür langfristige Nutzungsrechte für das Schloß Kleßheim und für den Casinobetrieb erhalten soll. Dennoch werden wesentliche Mittel von Stadt und Land gebunden. Das würde bedeuten, daß die nötigen Mittel fehlen, die Übersiedlung des Museums in das Neugebäude zu finanzieren. Diese Befürchtung wird durch folgenden Passus aus dem Konzept Schröders belegt: »Ein Vorteil der Neuorganisation besteht darin, daß sie eine stufenweise Realisierung nahelegt. Die Übersiedlung der Mittelaltersammlung in die Festung ist ebenso wie die Einrichtung der kulturhistorischen Sammlungen im Glockenspielgebäude ein mittelfristiges Ziel, je nach Finanzierbarkeit (Übersiedlungskosten) in Angriff zu nehmen oder - ohne Verschlechterung des Status quo - zu verschieben.«

Natürlich sind manche Punkte aus Schröders Konzept positiv zu sehen. Sie sind aber nicht neu, wie etwa die Bildung von Werkstattgemeinschaften, die Errichtung gemeinsamer Depots und dergleichen mehr. Kurz noch einige weitere Einwände. Das Keltenmuseum ist baulich gar nicht in der Lage, die Keltensammlung des MCA zu übernehmen. Aus konservatorischen Gründen ist es unmöglich, den höchst wertvollen Bestand etwa gotischer Flügelaltäre und Skulpturen in den Räumen der Festung auf Dauer unterzubringen.

Was soll also geschehen? Der Landeshauptmann hat den von ihm gesteuerten Zug auf die Schienen gestellt. Er weist alle Einwände zurück und erklärt, die Kunsthalle komme auf jeden Fall auf den Mönchsberg. Große Geister stören Details nicht, daher winkt er ab und meint, es werde ja eine Arbeitsgruppe mit den Museumsleitern und Kulturbeamten eingesetzt, die soll dann die Details, was, wer und wohin wandern soll, festlegen. Doch der Regierungsbeschluß ist ein Faktum. Daß Regierungsbeschlüsse oft nicht verwirklicht werden, auch. Jedenfalls erwachsen wieder einmal neue Planungskosten. Nicht nur für Klaus Schröder, sondern auch für einen Architekturwettbewerb für, wie es wörtlich in dem Konzept heißt, ein architektonisch sichtbares neues Wahrzeichen Salzburgs auf dem Mönchsberg.

Die Forderung des Salzburger Museumsvereins geht dahin, daß zumindest die Gleichbehandlung des Museums, also die Übersiedlung in das Neugebäude, erfolgt. Ist das nicht möglich, muß die Neukonzeption des Museums Carolino Augusteum Vorrang haben. Außerdem darf es zu keiner Amputation der Sammlungen kommen. Dieser Forderung haben sich inzwischen die Gesellschaft für Salzburger Landeskunde und der Salzburger Stadtverein angeschlossen.

Karl-Heinz Ritschel war langjähriger Chefredakteur der Salzburger Nachrichten und ist derzeit Präsident des Salzburger Museumsvereins