mai 1997

Doc Holliday
gelesen

Gerechtigkeit für Österreich oder: ein frühjährliches Wanken zu den Flüssen Vöckla und Mur

Bier! Das Lexikon Jürgen Roth/Michael Rudolf: Reclam Leipzig

Die wundersame und vielfältige Welt der Getränke ist begleitliterarisch ja bereits gut erfaßt. Selbst alles Überflüssige wie Cognac, Lebertran, Ananassaft oder (Biogas-)Energiedrinks wird heutzutage durch ausgefeilte Michelins geadelt. Nicht gerade neu ist also die Idee, dem Klassiker unter den Getränken, dem Bier, ein eigenes Lexikon zu widmen. Die Ausführung aber ist durchaus innovativ: »Alle relevanten Aspekte und Teilbedeutungen, welche dem Bier in historischer, gesellschaftspolitischer, eschatologischer, medizinischer, lebensweltlicher und verkostungsspezifischer Hinsicht zukommen«, (Roth/Rudolf) werden behandelt und dabei längst fällige Antworten gegeben. Vom ersten Stichwort, »Abbrechen, das: siehe Brechen, das« bis zum letzten, »Zwölf Apostel« (hier handelt es sich nicht um eine religiöse Erscheinung, sondern um »die erste Frankfurter Hausbrauerei«) werden längst fällige Antworten gegeben; so auch bei der unbestechlichen Analyse von 853 ausgewählten, entweder edlen oder an- bzw. einnehmbaren oder verhunzt-verbrunzten Gerstensäften. Der generellen Bewertung kann man nur beipflichten: Light-Beer, Ice-Beer, Drybeer, Alkoholfreies, die sogenannten Kitschbiere (siehe in Österreich etwa Sigl’s) und die geschmacklosen Premium-Pilssorten werden als neumodische Zeitgeist-Hanseln entlarvt, die man bestenfalls als Kopfwaschmittel für ihre Produzenten und Brau-Lehrbuben verwenden kann. Absolut b.c., bloß wo bleibt die Gerechtigkeit für Österreich? Beim Zipfer etwa muß man das sagenumwobene Doppelgold oder das köstliche Kellerbier verkosten, ehe man Kritik einschenkt. Und auf die steirischen Biere gänzlich zu verzichten kann ohnehin nur durch etliche Lokalrunden kompensiert werden. Heilt die Bierführer! Ansonsten aber ein Buch heller Freude und dunkler Träume. Zum Wohlsein und ab in den (Bier-) Keller!