mai 1997

Gudrun Seidenauer

Wortschritte

Eine neue starke Stimme der hiesigen Tanztheater-Szene: LaroqueDanceCompany / Helene Weinzierl

Im blitzschnellen Wechsel von Ironie zu Tragik, vom Kämpfen zum Flehen, von Sieg zu Verlust tanzen und deklamieren sich drei Frauen und zwei Männer durch die unverläßlich gewordenen Liebensmuster traditioneller Couleur: Samuel Becketts schwarze Farce »Spiel« ist dabei der literarische (Tanz-) Boden des neuesten Stücks von Helene Weinzierl. Sprache, Tanz und Musik scheinen nicht mehr möglich, Aussagen aus dem jeweils anderen Medium fortzuführen. Körpersprache und Sprache treiben einander weiter. Hoch hinauf auf einen hier gegenständlich gewordenen, wackeligen Thron treiben wohl Narzißmus und Selbstbetrug die Protagonisten. Der absurde Versuch, sich um jeden Preis eine moralisch legitime Position im Konflikt zurechtzubiegen. Auch und gerade der Körper wird zum Instrument der psychischen Verdrehung. Die inneren Widersprüche halten ihn im wahrsten Sinn des Wortes auf Trab. Klare Bewegungsmuster ohne Firlefanz und ohne dekorative Ornamentik prägen den Stil der Salzburger Tänzerin und Choreographin Helene Weinzierl.

Seit etwa zehn Jahren ist sie - nach klassischer Ausbildung in München - in der europäischen Tanzszene tätig, hat mit Jean-Yves Ginou, Roxane Huilmand und Bruno Genty in Paris gearbeitet, das immer noch unangefochtenes Mekka der zeitgenössischen Tanzszene ist. Prägend - wenn Weinzierl auch dezidiert die Vokabel »Vorbild« zurückweist - für die eigene Tanz-Schrift werden die mittlerweile legendären »Rosas« aus Belgien mit ihrem frechen, gleichsam anti-illustrativ gegen die Musik gerichteten Tanzvokabular, mit denen sie mehrfach zusammengearbeitet hat.

Nach Jahren der letztlich unmöglichen Aufteilung zwischen einem bürgerlichen Brotberuf - Weinzierl ist gelernte Buchhalterin - und dem gerade punkto Management und Organisation höchst aufwendigen Tanz-Theater entschließt sie sich 1994 zum Sprung in die Selbständigkeit und gründet ihr eigenes Ensemble, die LaroqueDanceCompagny. Keine »gmahte Wiesn« - zumal das kulturpolitische Bewußtsein für zeitgenössischen Tanz in Österreich im internationalen Vergleich immer noch peinlich schwach entwickelt ist, wie nahezu jede(r) damit Befaßte zu berichten weiß. Lange Asien-Reisen sind für Helene Weinzierl wichtige Energiequelle - ohne esoterische Abwege. Das erste abendfüllende Stück, neben »Liquid Underwear« diesen Monat in der ARGE zu sehen, »Feuerland«, nach Texten der französischen Grande-Dame Marguerite Duras, wird mit dem zweiten Preis beim internationalen Choreographen-Wettbewerb in Konstanz ausgezeichnet. Die inzestuös gefärbte Liebe zwischen Geschwistern im radikal sezierenden Blickfeld der Duras verwandelt sich in unpathetische und einprägsame Tanz-Bilder. Die Bewegung setzt ein, wo Sprache nicht weiterkommt und umgekehrt, so Weinzierl über die symbiotische Verflechtung beider Medien in ihrer Arbeit.

Am Anfang eines neuen Stückes steht zumeist ein Text. Eigener Schauspielunterricht eröffnet den Zugang zur Sprache für das eigene künstlerische Repertoire. Wesentlich sind außer den rhythmischen und musikalischen Qualitäten der Sprache vor allem eine gewisse Unabhängigkeit von Regieanweisungen und die Freiheit, den Text in eine neue mehrdimensionale Konstellation zu bringen, die sich frei von irgendwelchen Wirkungsabsichten des Autors entwickeln darf. Trotzdem: Erzählerische Bögen aus Sprache und Bewegung erfahrbar zu machen ist ein Grundzug von Weinzierls Arbeit.

Welche Texte, welche Themen interessieren sie? Tabubrecher und Tabubrüche können als inhaltliche Gemeinsamkeit ihrer bisherigen Arbeiten gelten. Ausgelotet werden Möglichkeiten und Unmöglichkeiten von Beziehungen außerhalb gängiger Sozialisationshüllen. So auch die für den Welttanztag am 29. April choreographierte Petitesse »Vis-á-Vis«, die die Geschichte einer geschäftlichen Verbindung zwischen Mann und Frau und die daraus resultierende Irritation subtiler und gewohnter Machtgefüge erzählt.

Mit der LaroqueDanceCompany erfährt die starke Salzburger TanzTheaterSzene eine neue eigenwillige Bereicherung - ein weiterer kraftvoller Sprung in die Internationalität ist Helene Weinzierl und ihrer Truppe zu wünschen.