»OlympiNEIN«, »OlympiADE«, »NOlympia«
Szenen einer Kampagne, in der sich David gegen Goliath durchgesetzt hat
Die Gewichte waren höchst ungleich verteilt: auf der einen Seite eine millionenschwere Propagandakampagne, in der das allgegenwärtige Murmeltier »Gold für Tirol« versprach und hinter dem die Dreieinigkeit von ÖVP, SPÖ und FPÖ sowie Unternehmerverbände und Vertreter des Tourismus standen. Dieser geballten politischen Macht zur Durchsetzung einer Bewerbung für Olympia 2006 in Innsbruck/Tirol standen Grüne, Jusos und eine Hand voll Einzelkämpfer-Innen gegenüber.
Das Ergebnis der Volksbefragung ist bekannt: In Innsbruck sprachen sich 52,6 % der BürgerInnen gegen Olympia aus und bestätigten damit ihr Votum von 1993 (damals 73,5 %). Landesweit gab es ein klares »Ja«, das bei einer Wahlbeteiligung, die selbst in Tourismushochburgen kaum über 20 % lag, aber nicht sehr überzeugend ausgefallen ist. Nachdem gegenüber dem IOC die Mehrheit in der sogenannten »Host-City« maßgeblich ist, blieb für die Olympiaproponenten nur der trotzige Plan, nun eine Bewerbung mit Kitzbühel an der Spitze versuchen zu wollen.
Ein Bündnis der OlympiagegnerInnen gab es nicht, und erst zwei Tage vor der Abstimmung am 9. März veranstalteten Grüne, Jusos und GPA-Jugend eine gemeinsame Abschlußkundgebung in der Maria-Theresienstraße.
Die Kampagne der Grünen stand unter dem Motto »... und sie versprechen schon wieder«, womit an die Olympia-Volksbefragung von 1993 und an die EU-Volksabstimmung von 1994 angeknüpft wurde. Ihr »OlympiNEIN« argumentierten die Grünen insbesondere damit, daß die TirolerInnen die versprochenen Arbeitsplätze und Wohnungen nicht 2006 benötigen würden, sondern jetzt. Mit Verweis auf Olympia 1964 und 1976 sowie die Schi-WM Saalbach 1991 wurde der als Faktum dargestellte dreistellige Millionengewinn von Olympia in Frage gestellt. Für die Verwendung der Olympischen Ringe auf einem Plakat handelten sich die Grünen eine Klagsdrohung des ÖOC ein. Deren Verwendung ist dem ÖOC per Bundesgesetz exklusiv erlaubt. Kariakturen der fünf Ringe fallen nicht unter dieses Verbot.
Die »NOlympia«-Plakatserie der Jusos konzentrierte sich auf Aussagen von Tiroler Politikern zur 93er-Abstimmung. Damals hatten u.a. LH Wendelin Weingartner und SP-Chef Herbert Prock die »demokratische Reife« der Innsbrucker gelobt und die Olympia-Ablehnung als »Votum gegen Großerereignisse« interpretiert.
Anonyme Kleingruppen haben in den Monaten und Wochen vor der Abstimmung zahlreiche kreative und überwiegend ironisierende Aufkleber produziert. Eine Aufkleber-Reihe stand unter dem Motto »OlympiADE«, brachte bekannte Persönlichkeiten vor dem Hintergrund verschwommener olympischer Ringe ins Bild, sowie ein fiktives/echtes Zitat dieser Promis. Bischof Reinhold Stecher wurde z.B. mit: »Mir tut jetzt schon das Kreuz weh« zitiert und Konrad Adenauer meinte: »Der Sport ist der Arzt am Krankenbett des deutschen Volkes.« Ein anderes Sujet war ganz in schwarz gehalten und verband ein Portrait von Ulli Maier mit dem olympischen Wahlspruch »schneller - höher - stärker«.
Umweltverbände wie der Alpenverein und die Naturfreunde hatten den Arbeitskreis Ökologie des Proponentenkomitees frühzeitig unter Protest verlassen, nachdem ihnen die grundsätzliche Diskussion über ein Leitbild für Tirol und dessen Vereinbarkeit mit einem Projekt Olympia verweigert worden war. Für die »ARGE Olympia« war dieser Schritt insofern schmerzhaft, als das IOC eine Einbindung der wichtigsten regionalen Umweltorganisationen bei der Erstellung eines ökologisches Entlastungskonzeptes verlangt.
Ein zentraler Kritikpunkt am Konzept von Weingartner & Co. war, daß die Idee von dritten Olympischen Winterspielen in Tirol weder neu noch innovativ sei. Olympia 2006 wäre die Einzementierung einer einseitig auf den Tourismus ausgerichteten Wirtschaftspolitik. Was soll aber, so die Argumentation, ein quantitativer Impuls für jene Branche, in der Überkapazitäten landauf landab Hotels und andere touristische Einrichtungen in den Konkurs schlittern lassen? Was Tirol brauche, sei eine Stärkung des gewerblichen Sektors, und der sei leichter ohne als mit Olympia erzielbar.
Selbst unter Tiroler Touristikern war/ist die Orientierung auf Olympia nicht unumstritten. Eine Umfrage in Seefeld hat ergeben, daß die Mehrzahl der Gäste Olympia vor allem mit »teuer« und »viel Verkehr« verbindet. Wenige Wochen vor dem 9. März hat deshalb der Tourismusverband Seefeld beschlossen, die Unterzeile »Olympia-region« aus seinem Logo zu entfernen.