mai 1997

Roman Höllbacher

Wie lang ist eine Salzburger Meile?

Bei der Konzeption der Kunsthalle wurde ein kardinaler Fehler begangen

Es ist müßig, sich an der derzeitigen Debatte über eine Kunsthalle/ein Museum zu beteiligen. Wenn ich mich dennoch äußere, so nicht im Sinne eines Zieles, das erreicht werden soll. In einer derart aufgeheizten Atmosphäre ist durch Wollen - und sei es auf zehnmal besseres Wissen gestützt - nichts mehr zu erreichen. Vielleicht kann eine Spiegelung aber so mancher narzistischer Verletztheit auf die Sprünge helfen.

Bei der Konzeption einer Kunsthalle auf dem Mönchsberg wurde ein kardinaler Fehler begangen. Aus unerfindlichen Gründen stellte man ein Junktim mit der Neuordnung der Salzburger Museen und damit der unglücklichen Geschichte des Salzburger Museums C.A. her. Ich wage diese These, daß eine Kunsthalle, die in Abhängigkeit von der Neuordnung der Salzburger Museumslandschaft gedacht wird, sowohl ersteres wie zweiteres verhindert. Es gibt keinen Anlaß, die Museumsmisere mit der Frage eines Ausstellungsgebäudes für zeitgenössische Kunst zu vermählen. Als vor rund 160 Jahren der Pfandleiher Vincenz Maria Süß das Museum gründete, legte er den Grundstock für eine Bewußtseinshaltung, die bis zum heutigen Tage ncht überwunden wurde. Es ist bis dato nicht gelungen, sich vom Image eines Pfandhauses zu lösen. Es ist dies einmal wirklich nicht die Schuld der Politik, denn in wessen Verantwortung als der der Kustoden liegt es, daß beispielsweise das vielgepriesene Falckenauer’sche Kaiserdenkmal für Speyer nun schon seit Jahrzehnten nicht seinem Rang entsprechend aufgestellt wird, daß eine den ganzen Dilettantismus widerspiegelnde Rekonstruktionszeichnung desselben, wenn überhaupt, so jedenfalls eine falsche Vorstellung von diesem in Bruchstücken vorhandenen Monument wiedergibt? Die vielzitierte Salzburger Museumskrise ist zuerst eine des Museums selbst.

Diese Herausforderung reizte LH Schausberger, und er hat sie angenommen, indem er den Fehdehandschuh hinknallte. Sein politischer Instinkt sagte ihm, daß nur durch einen »Blitzkrieg«, eine avantgardistische Überrumpelung die festgefügten Besitzstände in Salzburg zu lösen sind. Darum wollte er auch nicht auf die Ressource Rupertinum zurückgreifen, obwohl dieser Marktplatz inmitten der Stadt zigmal besser für eine Kunsthalle geeignet wäre als ein abgehobener Musentempel auf dem Parnaß.

Sollte eine Kunsthalle errichtet werden, muß man sich noch von einer zweiten fixen Idee verabschieden. Mit dem Bau einer Kunsthalle braucht nicht das Problem des Casino Winkler auf dem Mönchsberg gelöst zu werden. Dieser verständliche Wunsch, welcher den Politiker vorderhand als Kosten-Nutzen-Maximierer erscheinen läßt, ist als Ansatz dennoch falsch, weil er der Kunst nichts bringt. Wenn das Casino schon so ein ungeliebtes Gebäude ist, dann soll man es entfernen oder auf ein Maß zurückbauen, das der Ort verträgt: ein Ausflugscafé mit abendlichen Tanzveranstaltungen und einer Aussichtsplattform mit dem schönsten Blick auf unser Weltkulturerbe. In manischer Befangenheit auf lineares Wachstum können wir uns nicht vorstellen, daß ein Verzicht auch ein Gewinn sein kann (less is more, sagte einst Mies van der Rohe). Rechnet man jedenfalls die gesamtgesellschaftlichen Kosten hoch, die entstehen, wenn man auf dem Berg eine Erweiterung vornimmt, sei es nun eine Kunsthalle oder ein Kongreßhaus, dann ist der Rückbau allemal bedeutend wirtschaftlicher. Es hat keinen Zweck, mit aller Gewalt in das bestehende Gebäude eine Funktion zu stopfen, nur damit jenes wieder einen Sinn erhält.

Jeden Tag, den Schausberger nun verstreichen läßt, ohne daß er seine Position ausbauen kann, stärkt seine Gegner, und es wächst die Gefahr, daß die Welthauptstadt der Projektemacher gerade um ein solches reicher wird. Myriaden von Entwürfen sind heute nicht mehr dazu geeignet, in dieser Stadt etwas zu bewegen, sie zementieren nur mehr ihre Resistenz gegenüber Veränderungen. Die Entwürfe von Hollein (Guggenheim Museum), Siza (Erweiterung Casino Winkler), Baldeweg (Kongreßhaus), Perrault (Sparkasse Rehrlplatz), Schürmann (Torso Bahnhofsplatz) sind Zeichen, daß sich die Salzburger gerne mit dem Schönsten und Besten brüsten, wenn es um die Umsetzung geht aber kalkulierend zum unterwürfigen Durchschnitt neigen, dem der Mut der Fürsterzbischöfe fehlt.

Wenn also nicht durch einen mächtigen Streich die Verhältnisse neu verteilt werden, dann ist die Länge der Salzburger Museumsmeile in Lichtjahren zu messen - ein Thema für die Ewigkeit.

Roman Höllbacher ist Architekturhistoriker, zahlreiche Publikationen zur zeitgenössischen Architektur in Salzburg, Verfasser einer Studie bezüglich eines Kunstforums am Max-Reinhardt-Platz im Auftrag der Freunde des Rupertinums