mai 1997

Edgar J. Foster
leitartikel

Welche Einmischung - Welche Geschlechterpolitik - Zu welchem Zweck - Mit welchem Ziel?

Ich plädiere dafür, daß sich Männer einmischen und Geschlechterpolitik machen, statt ihre männerbündische Politik fortzusetzen. Ich plädiere aber auch dafür, daß Männer, die sich gegen Männergewalt und gegen die Diskriminierung von Frauen engagieren, bedenken, von welcher Position aus sie sprechen, was ihr Sprechen und Handeln in der heutigen Gesellschaft bedeuten kann, wer ihr Engagement wie und zu welchem Zweck nutzt.

Die Irritationen, die Männlichkeitskritik und Männerarbeit zuweilen auslösen, resultieren aus einem Denken und einer Politik, die die Geschlechterordnung auf das Prinzip der hierarchischen Opposition festschreiben. Ein solcher Dualismus verfährt reduktionistisch und erzeugt den Schein von Klarheit und von Eindeutigkeit. Dazu gehören die Logik des Täter-Opfer-Verhältnisses und die Rede von: die Frau, der Mann, das Patriarchat.

Denken in Polaritäten verschleiert die Vielfältigkeit der Geschlechterkonstruktionen, es unterschlägt nicht nur die Differenzen, die zwischen Frauen oder zwischen Männern Kämpfe erzeugen (z.B. wer ist die bessere Feministin, wer ist der bessere Mann), sondern es führt zu falschen Gleichsetzungen, etwa zur irrigen Gleichsetzung von feministischer Arbeit und Männerarbeit gegen Männergewalt.

Männliche Geschlechterpolitik müßte sich der fatalen Logik der Polaritäten entziehen, indem sie das Verhältnis der Geschlechter als Netz vielfältiger Differenzen denkt. Und sie müßte sich klar und unmißverständlich positionieren. Das könnte gelingen, wenn sie einen offenen Begriff des Politischen entwickelt. Das heißt, daß sich Männer auf unterschiedlichen Ebenen in unterschiedlicher Weise mit unterschiedlichen Zielen einmischen.

Männerarbeit heißt, den alltäglichen Sexismus in der eigenen Umgebung zu bekämpfen. Das verlangt von Männern eine Politik des alltäglichen Widerstandes, des Eingreifens, des Öffentlichmachens. Diese Politik verlangt Zivilcourage. Zivilcourage ist nicht etwas, das man hat oder nicht hat, sondern sie entwickelt sich aus einer reflexiven Arbeit an sich selbst. Aus dieser Arbeit könnten Lebenspraxen von männlichen Identitäten entstehen, die sich nicht mehr nur über kollektive Männerphantasien herstellen und stabilisieren.

Oberhalb und jenseits partikularer, konkreter sexistischer Handlungen liegt eine Struktur, die systematisch Männlichkeit in positiven und Weiblichkeit in negativen Termini wertet. Patriarchalismus ist damit ein struktureller Modus der Sozialorganisation. Männer und Frauen werden in gesellschaftlichen, ökonomischen und interpersonellen Verhältnissen unterschiedlich positioniert.

Männerarbeit auf dieser Ebene heißt Solidarität mit Frauen und mit feministischen Bewegungen. Ziel bleibt, die strukturelle Ungleichheit von Männern und Frauen abzuschaffen. Praktisch heißt das, daß Männer, die sich einmischen, vorhandene Ressourcen nützen müssen, über die sie ohnehin verfügen. Außerdem heißt das, daß Männerarbeit überall dort gemacht werden muß, wo Männer sitzen.

Wir Männer müssen gegen den Sexismus ankämpfen, konkret und wirksam und überall dort, wo er auftritt. Brauchen wir also eine Män-nerberatungsstelle? Eine Männerberatungsstelle könnte ein Signal bedeuten, aktiv(er) zu werden. Wir Männer müssen konkreter gegen die Ungleichheit von Frauen und Männern auftreten. Eine Männerberatungsstelle könnte als Netzwerk dienen, solche Arbeit wirksamer zu machen. Wir Männer und Frauen dürfen uns nicht mit der Gleichstellung von Frauen und Männern zufriedengeben. Denn es ist eine Gleichstellung auf falschen, nämlich phallozentrischen Grundlagen. Wenn eine Männerberatungsstelle diese permanente Arbeit der Dekonstruktion unterstützen kann, dann soll mir eine solche Einrichtung mehr als recht sein. Eine Männerberatungsstelle darf aber kein Signal für die Relativierung feministischer Bewegung sein, für die Begrenzung der Geschlechterproblematik, für die Entlastung einzelner Männer oder für ihre Entlassung aus der Verantwortung, für eine Umverteilung der Gelder weg von feministischen Projekten ...

Männliche Geschlechterpolitik beschränkt sich nicht auf 20 qm Beratungsstelle, fünf Stunden wöchentlich. Umfassender Männlichkeitskritik droht in diesem Fall die Umkehr dessen, was sie vorgibt zu wollen, und sie wird das, was wir seit eh und je kennen: Männerpolitik! Und dazu kann ich nur sagen: forget it!

Edgar J. Forster, Institut für Erziehungswissenschaften, hat seine Habilitation zum Thema »Männlichkeit« verfaßt.