juni 1997

Thomas Neuhold
gelesen

HANS-JÜRGEN BURCHARDT

Kuba - Der lange Abschied von einem Mythos, Schmetterling Verlag, Stuttgart 1996.

Kein sozialistischer Staat hatte in den vergangenen Jahrzehnten bei der westeuropäischen Linken einen derart hohen Sympathiewert erreicht wie Kuba. In romantischer Verklärung träumten sich die GenossInnen mit Che in den Dschungel, um es dem verhaßten US-Imperialismus zu zeigen. Kuba war weit weg, das sozialistische Experiment schmeckte nach »tropical fruit« und war nicht so konkret wie der reale Sozialismus in unserer Nachbarschaft. An Information und Wissen über die Errungenschaften auf jener Insel, die bis zur Revolution ein einziges US-amerikanisches Bordell war, über die Rolle der Sowjetunion, aber auch über die Unzulänglichkeiten der Regierung Fidel Castros war und ist wenig vorhanden.

Hans-Jürgen Burchardts Kuba-Buch bietet die Chance, das nachzuholen. Die nüchterne Analyse des »socialismo tropical« reicht von den Anfängen der sozialistischen Staatsform über die Reformen nach dem Zusammenbruch der UdSSR bis zum »bleiernen Rettungsring« Tourismus und letztlich zu der bangen Zukunftsfrage, was nach dem Tod Castros kommen mag. Burchardt vermeidet dabei jeglichen revolutionären Pathos, sondern bietet eine realistische Einschätzung der jüngeren Geschichte auf der Zuckerrohrinsel: »Mit seiner graduellen Transformation konnte Kuba bisher widerlegen, daß der Sozialismus sowjetischen Typs offenbar nicht reformfähig ist«. Allerdings habe die kubanische Regierung der Herausforderung einer »zivilen und sozial verträglichen Reformierung seines sozialistischen Systems«, die den angesichts des beinahe übermächtigen Drucks der USA so wichtigen sozialen Konsens auf der Insel erhält, kaum entsprochen.