juni 1997

Barbara Neuwirth

Nach 644.977 Unterschriften

Eine Nachlese zum Frauenvolksbegehren

Am Mittwoch, dem 21.Mai, fand das erste Treffen zwischen Vertreterinnen des Unabhängigen Frauen Forums (UFF) und der Regierung statt. Die Initiatorinnen des ersten österreichischen (oder: globalen) Frauenvolksbegehrens kamen mit Christa Pölzlbauer und Regina Kern, Obfrauen des UFFs, mit Elfriede Hammerl und Eva Rossmann, die als Medienfrauen des UFFs während der Vorbereitungskampagne besonders stark für die Frauenanliegen in der Öffentlichkeit gestanden waren, und mit Traude Kogoj, die das Frauenvolksbegehren nicht nur als Aktivistin begleitet hat, sondern auch dokumentiert. Das Team der Regierung umfaßte zuständiges politisches Personal. Nicht anwesend waren der Finanzminister und der Wirtschaftsminister.

Das ist insofern frappierend, als alle Forderungen, die von 644.977* Personen mitunterschrieben wurden, gezielt Fragen der Umverteilung ansprechen. Dies wurde von Wirtschafts- und Kapitalvertretern im Vorfeld zur Unterschriftenwoche mehrfach kritisiert. Das alles kann sich der Staat ja gar nicht leisten!, mockierten sich Herren, die selbst im Superwohlstand leben. Die Tatsache, daß ausreichend Geld da ist - wenngleich nicht in den einzelnen Branchen, und selbstverständlich nicht in allen einzelnen Betrieben - liegt Umverteilungsmodellen zugrunde, in der bislang unbezahlte Arbeit, die vor allem Frauen für den Wohlstand des Staates leisten, nun entlohnt werden soll. Klar, daß es anderswo Abstriche geben muß. Daß jene aufschreien, an deren prallst gefülltem Säckel ein Schrumpfen zu erwarten ist, überrascht nicht. Daß aber auch anderswo »Verständnis« existiert für die »Unmöglichkeit, Geld auszuschütten, das ja nicht da ist«, ist eine Folge mangelnder politischer und wirtschaftlicher Bildung. Versäumnisse, die eine Bildungspolitik und eine stets nach hinten schauende Gewerkschaftsbewegung über Jahrzehnte anwachsen ließen, rächen sich nun.

»Wenn ich der Chef wäre, würde ich auch keine Frau mehr einstellen, wenn ich der gleich viel zahlen muß wie einem Mann. Weil irgendwann bleibt die dann doch wegen einem Baby daheim«, identifizierte sich eine junge Buchhalterin nach dem ersten öffentlichen Auftritt des UFF letzten September mit »dem Chef«. Meinem Argument, daß manche Frauen bereits Babys haben, andere überhaupt keine wollen und viele bereits aus dem Alter draußen sind, wo sie damit beschäftigt sein können - ich hatte noch nicht einmal Zeit, einzuwenden, daß ja auch der... aber das kommt tatsächlich äußerst selten vor... »Die Frauen graben sich mit diesen Forderungen das eigene Wasser ab«, wies sie alle Argumente zurück.

»Frauen interessieren mich nicht«, teilte mir eine gutbürgerlich gekleidete Frau am Wiener Jonasreindl mit, wo wir während der Eintragungswoche einen Informationsstand betreuten. Die Frage nach Emanzipation hängt noch immer in der Luft: Frauen, die für sich Gerechtigkeit verlangen, graben sich das eigene Wasser ab... Oder frau empfindet Frauen, und also sich selbst, als nicht von Interesse. Ich weiß schon, daß bei vielen Menschen das Vermögen, sich selbst als Teil einer abgewerteten Gruppe zu erkennen, verdrängt wird, aber de facto ist mit diesem Verständnis das Problem nicht aus der Welt geschafft.

Ob der Katholizismus eine Rolle spielt, wenn im Heiligen Land Tirol nur 7 Prozent der Wahlberechtigten sich mit den Zahlen des UFFs solidarisch erklären, und welche Strukturen in Vorarlberg das beschämende Ergebnis von 6,66% bewirkt haben, bedarf einer genaueren Untersuchung.

Graz und Salzburg sowie Wien stechen als Metropolen mit besonders guten Ergebnissen hervor, aber Ergebnisse über 12% fanden sich auch in Hallein und Salzburg Umgebung, in Steyr und Perg, in Eisenstadt Umgebung, Oberpullendorf und Mattersburg, in Gänserndorf, Korneuburg, Mödling, Wiener Neustadt Land und Wien Umgebung. Was das Durchsetzen für Menschen, die gewöhnt sind, nicht aufzumucken, kosten kann, ist uns, die wir gewöhnt sind, für unsere politischen Vorstellungen aufzustehen, oft unklar. Im Servitenviertel, im neunten Wiener Gemeindebezirk, gab es ein Lehrstück.

Szenario: Unterschriftenlokal. Auftritt: Ehepaar. Info: Hier liegt das Gen-Volksbegehren, da das Frauenvolksbegehren, wollen Sie beide unter- schreiben? Die Frau hat ja gesagt und sich einer erbärmlichen Heruntermache des Mannes aussetzen müssen. Mit versteinertem Gesicht unterschrieb sie das Frauenvolksbegehren, während er zeterte. Abgang. Drei Minuten später kam die Frau wieder und bat unter Tränen, ihren Namen streichen zu dürfen. Die Leiterin des Unterschriftenbüros verweigerte die nachträgliche Streichung. Übrigens gibt es 350 ungültige Unterschriften in Österreich. Wer darüber ins Grübeln kommt, wie denn eine Unterschrift von jemandem, der/die sich ausgewiesen hat, ungültig sein könnte, sei gleich informiert: Es geht um die Lesbarkeit der Unterschrift. Die amtlichen Unterschriftenzettel bieten ja nur die Spalte Unterschrift und Adresse, aber keine Spalte, in der der eigene Name gut lesbar einzutragen wäre. »Eine lesbare Unterschrift« wurde daher in wohlmeinenden Unterschriftenlokalen erbeten - eventuell sogar aufgefordert, daß über der Unterschrift in winzigen Blockbuchstaben der Name dazugefitzelt werden sollte. Je nach persönlicher Einschätzung von LeiterInnen der Unterschriftenlokale wurde wohl dann darüber bestimmt, ob und wieviele Unterschriften als ungültig zu streichen sind. Ganz Wien etwa hat 13 ungültige Unterschriften bei abgegebenen 163.364, in Niederösterreich finden sich bei abgegebenen 125.109 Unterschriften 87 ungültige, davon allein 17 in Sankt Pölten Land, wo etwa gleich viele Unterschreibende waren wie in Wien Landstraße (knapp unter 9.000). Kärnten mit 99.700 Unterschriften hat 80 ungültige Stimmen, wobei Murau (mit 2.535) allein bereits 12 ungültige Stimmen einbrachte. Während in Salzburg Stadt bei 14.190 Unterschriften nur 2 Personen als Schmierfinken disqualifiziert wurden, sahen sich die Behörden von Salzburg Umgebung genötigt, hart durchzugreifen: auf 11.427 Unterschriften kommen 11 ungültige!

Salzburg ist mit dem Abstimmungsergebnis über dem österreichischen Mittel, 12, 4% der wahlberechtigten SalzburgerInnen (in Österreich insgesamt 11,17%) unterstützten das Frauenvolksbegehren, das auch insofern herausragend war: Während es in Österreich bislang üblich war, Volksbegehren GEGEN etwas zu machen, haben die Menschen beim Frauenvolksbegehrren sich FÜR etwas stark gemacht. Hier wurde an eine Tradition von solidarischem politischen Begehren angeknüpft, die in der Bevölkerung heutzutage nur noch wenig geübt wird. Daß fast ein Drittel der Unterschreibenden Männer waren, erfreut. Die Umsetzung der Forderungen - von denen einige rasch realisiert werden könnten - zu veranlassen und zu prüfen, ist nun die Aufgabe des UFF. Johanna Dohnal, die sich auf die Seite des UFF geschlagen hatte, hat mit ihrem ExpertInnenkomittee (benannt sind derzeit Neda Bei, Dilek Cinar, Ursula Floßmann, Helene Klaa, Gertraud Knoll, Emmerich Talos u.a.) ein weiteres Zeichen gesetzt, das aus unterschiedlichen Richtungen ein Voranschreiten in der Umsetzung beobachtet und notfalls auch wieder massiv eingefordert wird. Der düstere Verdacht, daß die im Parlament vertretenen Parteien sich noch keine konkreten Umsetzungspläne überlegt haben, weil bis jetzt das Schweigen regierte, bleibt bis auf Widerruf jedenfalls vorhanden. Die Ergebnisse der ersten Sitzung sind jedenfalls ernüchternd genug. Das, was nichts kostet, nämlich die Festschreibung der Gleichstellung der Frauen in der Verfassung, wird bis Herbst in Aussicht gestellt. Allerdings: Auch das soll was kosten. Die ÖVP er-dreistet sich, ihre Zustimmung dazu von der Verankerung der Familie in der Verfassung abhängig zu machen. Die Vorstellung, daß der Staat sich in die Formen des Zusammenlebens der Menschen per Verfassung einmischt, ist empörend. Noch dazu jetzt. Immerhin ist die Familie die Keimzelle des patriarchalischen Staates und schreibt erneut die weibliche Rolle fest. Dieser Kuhhandel läuft entschieden gegen das Interesse der Frauen!

Das Motiv für die Menschen, die das Frauenvolksbegehren initiiert und unterstützt haben, war und ist die konkrete Abschaffung der Benachteiligung der Frauen in diesem Staat. Wir haben nun eine erste, riesige Hürde überwunden und beginnen jetzt, mit Hilfe vieler, Mauern abzubauen. Über die weitere konkrete Arbeit wird dabei laufend zu berichten sein, damit die Transparenz gewährleistet ist. Von einer Verschleierung der Zustände haben jedenfalls noch in keinem Land der Welt die Frauen profitiert.

Barbara Neuwirth ist Schriftstellerin, Herausgeberin der wissenschaftlichen »Reihe Frauenforschung« im Milena Verlag (Wiener Frauenverlag) und Mitarbeiterin im unabhängigen Frauenforum (UFF).